Die Moralisten
erwachte und sah, daß sie neben mir schlief, wurde ich überwältigt von dem Wunder, daß all diese Schönheit und Leidenschaft mir gehörte. Sie mußte meinen Blick gespürt haben, denn sie legte noch halb im Schlaf ihren Arm um mich und flüsterte: »Du darfst mich nie verlassen, Frank. Niemals!«
»Ich werde dich nie verlassen, Marianne«, sagte ich. Ich war dessen für alle Zeiten sicher.
Am nächsten Morgen gingen wir zum Schwimmen. Sie hatte einen hübschen neuen Badeanzug und sah zum Anbeißen aus. Sie gehörte zu den Mädchen, die nackt oder wenig bekleidet ebenso gut aussehen wie angezogen.
Sie war schlank, aber nicht mager, und ihre Beine waren lang und wohlgeformt. Sie hatte graziöse Bewegungen und wirkte gescheit und lebendig. Ich war stolz, mit ihr zusammenzusein. Ich bemerkte die Blicke der anderen Männer, und ich hatte das wohlige Gefühl, daß sie neidisch waren.
Und sie wußte genau, wie sie aussah. Sie wußte, daß sie Dynamit in einem weißen Badeanzug war. Sie angelte geschickt und schamlos nach Komplimenten und lächelte mich glückstrahlend an, wenn ich sagte, wie schön sie sei.
Nach dem Schwimmen lagen wir faul im Sand, lachten und waren glücklich. Das Gefühl des Eins-Seins, das ich in ihrer Gegenwart hatte, war etwas, was ich nie zuvor gekannt hatte, und ich genoß es mit ganzer Seele.
Um die Mittagszeit kaufte ich ein paar heiße Würstchen, die wir am Strand verzehrten. Während wir aßen, fragte ich sie über New York aus. Es sei immer noch derselbe alte Steinhaufen, sagte sie. Und von sich selbst erzählte sie, daß sie gerade zwei Aufträge fertiggestellt habe und sehr erschöpft sei. Ich hatte genau zur richtigen Zeit angerufen, denn sie wußte nicht, was sie als nächstes unternehmen sollte. Sie war so froh, hierzusein, so froh, bei mir zu sein, sie war einfach froh, zu leben.
Ich nahm ihre Hand, und wir lagen eine Weile schweigend nebeneinander. Nach einer gewissen Zeit fragte ich sie, ob sie zu Gerros Begräbnis gegangen sei.
»Nein«, sagte sie.
»Warum nicht?«
»Weil ich ein Feigling bin«, sagte sie. »Weil ich es nicht mitansehen konnte, was mit ihm geschah. Weil ich nicht daran denken wollte, daß er tot war, während ich noch am Leben bin und das Leben genieße. Auch deinetwegen und der Gefühle wegen, die ich für euch beide hegte. Ich liebte euch beide und wußte nicht, wen von beiden ich am meisten begehrte. Weil ich dich auf die eine Art und ihn auf eine andere Art liebte. Weil ihr beide so weit voneinander entfernt und euch doch so nahe wart. Ich konnte einfach nicht hingehen.«
»Er war ein großartiger Mann«, sagte ich. »Ein Jammer, daß er sterben mußte. Es gibt nicht viele wie ihn auf der Welt.«
»Ist das dein Ernst, Frank?« sagte sie. »Sag mal ganz ehrlich: Bist du nicht im tiefsten Innern ein ganz klein wenig froh über das, was passiert ist? Denn wenn es nicht passiert wäre, dann wären wir jetzt nicht hier zusammen.«
Ich war verwirrt und blickte sie an. Sie lag auf dem Rücken im Sand. Ihr Haar glühte wie Feuer. Ihre festen, runden Brüste spannten sich unter dem Badeanzug. Ihr kleiner, flacher Leib verschmolz mit den weichen Rundungen ihrer Hüften und Schenkel.
Mich erfaßte ein wildes Verlangen nach ihr.
»Du weißt, daß wir schlecht sind«, sagte sie. »Was wir tun, ist Unrecht. Aber es kümmert dich nicht. Du bist ein Tier, du gehst wie ein Tier, du handelst wie ein Tier und du denkst wie ein Tier. Aber gerade das liebe ich an dir. Das ist ja das Wahnsinnige.«
Sie rollte sich an mich heran, und ich legte meinen Arm um sie und küßte sie.
»Eine hübsche Tätigkeit, wenn man sie bekommen kann«, hörte ich eine Stimme hinter mir. Ich blickte auf und sah meinen Boss Charlie, der gerade aus dem Wasser gekommen war und triefend auf uns hinabblickte. Ich grinste zu ihm auf.
»Guten Tag, Charlie.«
»Guten Tag, Frank.« Er ließ sich neben uns nieder, und ich mußte die beiden miteinander bekannt machen. Ich war ärgerlich, daß er uns über den Weg gelaufen war, aber daran ließ sich nichts ändern.
»Marianne, das ist Charlie«, sagte ich.
Sie begrüßten sich. Marianne fing es schlau an. Als ich ihr erklärt hatte, daß Charlie mein Boss sei, nahm sie ihn gleich in die Zange.
»Ich weiß gar nicht, warum Frank bis zum Ende der Saison aushalten muß, wenn nach dem Feiertag nicht mehr soviel zu tun ist«, sagte sie. »Er sollte sich wirklich ein paar Wochen ausruhen, ehe er nach New York zurückkehrt.«
Charlie sah mich
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