Die Moralisten
es ihr gab. Ich hatte in meinem Leben noch nicht viele Geschenke gemacht, und ich wußte nicht recht, was ich dabei sagen sollte. »Das ist für dich, Marianne«, sagte ich verlegen und gab es ihr.
Sie schien überrascht und nahm es mit einem leisen Ausruf des Entzückens entgegen. »Frank, wie reizend!« sagte sie und las laut die Inschrift: »Für Marianne, in Liebe, Frank.« Sie blickte lächelnd zu mir auf. »Es ist bezaubernd - und so eine originelle Inschrift.«
Ich glaubte einen leicht spöttischen Unterton aus ihrer Stimme zu hören und fühlte mich verletzt. Ich sagte: »Sie ist originell,
denn ich habe nie zuvor so etwas gesagt oder gemeint.«
Sie reagierte rasch auf den Klang meiner Stimme. »Oh, Liebster, so habe ich es nicht gemeint. Ich wollte dich nicht kränken. Verzeih mir. Es gefällt mir wirklich, und ich werde es immer tragen. Bitte, leg es mir um.« Sie streckte ihren Arm aus.
Ich nahm das Armband und legte es um ihr Handgelenk. An ihrem kleinen Finger trug sie einen Ring mit einem Diamanten und zwei kleinen Rubinen. Er funkelte im Mondlicht, und ich kam mir reichlich komisch vor, als ich das Armband ungeschickt an ihrem Handgelenk befestigte. Es wirkte so billig im Vergleich mit der schlichten Kostbarkeit des Ringes. Ich verwünschte mich, daß ich es gekauft hatte. Es betonte nur den Unterschied zwischen uns. Wenn ich wieder nach New York ging, das gelobte ich mir, würde ich richtig Geld machen und ihr etwas kaufen, was einen Vergleich mit ihren Schmuckstücken aushalten konnte.
Wir kehrten am 20. September zurück. Ich zog mit in ihre Wohnung. Nach ein paar Tagen, als ich mich eingelebt hatte, beschloß ich, mich nach einer Arbeit umzusehen. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt war immer noch sehr schlecht, und ich hatte in den ersten Tagen nicht viel Glück.
Marianne war in dieser Zeit sehr beschäftigt. Sie hatte mehrere Aufträge und sprühte vor Arbeitseifer und Energie. Wenn sie arbeitete, war sie ein völlig anderer Mensch. Meistens gab sie mir dann Geld und jagte mich aus dem Haus, mit der Bitte, ins Kino zu gehen oder sonst wohin und recht lange wegzubleiben. Anfangs hatte das für mich den Reiz des Neuen. Was die Königin tat, war richtig. Ich sah ihr gern beim Malen zu. Es war dann eine eigentümlich konzentrierte Atmosphäre um sie. Sie schien mit ihrem ganzen Körper auf ihre Arbeit eingestellt zu sein. Wenn ich mit ihr sprach, antwortete sie nur kurz oder überhaupt nicht, und oft ging sie im Atelier umher, als sei ich gar nicht vorhanden. Wenn sie Schwierigkeiten mit einem Bild hatte, pflegte sie wütend die Farbe aufzutragen und leise Flüche dabei auszustoßen. Wenn sie die Hände hob, um sich das Haar aus den Augen zu streichen, erschienen Farbflecke auf ihrem Gesicht.
Wenn sie aber einen guten Tag gehabt hatte und mit ihrer Arbeit zufrieden war, dann zeigte sie sich abends von einer reizenden, liebevollen und fast kindlich heiteren Seite. Sie machte Witze, wir tranken Champagner, und ich kochte ihr etwas Leckeres. Ich kochte überhaupt meistens, denn sie behauptete, sie sei eine schreckliche Köchin, und das, was sie selbst koche, könne sie nicht essen. Gelegentlich besuchten uns einige ihrer Freunde - Künstler wie sie selber, Schriftsteller, mehr oder weniger geistreiche Männer und Frauen, die in ihrer eigenen Welt zu leben schienen. Wenn ich ihnen vorgestellt wurde, blickten sie mich höflich an und erkundigten sich, was ich täte. Wenn sie dann entdeckten, daß ich sozusagen keiner von ihnen war, wandten sie sich ebenso höflich ab, ignorierten mich und schlossen mich aus ihrer Unterhaltung aus. Nur wenn sie noch einen Drink haben wollten, riefen sie mich herbei wie einen Diener.
Aber ich war hoffnungslos, irrsinnig, blind verliebt. Was die Königin tat, war richtig. Die Königin nahm mich mit zum Einkaufen und gab ungefähr dreihundert Dollar aus, um mich neu einzukleiden. Anzüge, Mäntel und Hemden wurden für mich nach Maß angefertigt. Ich trug die allerfeinste Unterwäsche und seidene Pyjamas. Anfangs versuchte ich noch einen Job zu bekommen. Einmal bot sich eine Gelegenheit. Ich kam ganz erregt nach Hause und erzählte Marianne davon. Sie fragte stirnrunzelnd: »Was wollen die zahlen?«
»Neunzehn Dollar die Woche«, erklärte ich stolz.
»Nur neunzehn Dollar!« rief sie und hob mit einer dramatischen Geste die Hände. »Um Himmels willen! Was willst du mit den paar Kröten anfangen. Davon kannst du ja nicht einmal deine Zigaretten bezahlen.«
»Es ist
Weitere Kostenlose Bücher