Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
Vom Netzwerk:
die Halle, wo ich meinen Lunch nahm und dann bis Geschäftsschluß arbeitete. Zum Schlafen ging ich dann wieder ins Hotel.
    Der Sommer ging langsam dahin. Ich mußte tüchtig arbeiten, aber ich fühlte mich dabei wohl. Die Tage am Strand hatten mich dunkelbraun gebrannt, und ich hatte auch an Gewicht zugenommen. Freundschaften schloß ich nicht - weder mit Männern noch mit Frauen. Ich hatte kein Verlangen danach. Im Augenblick war ich mit meiner Einsamkeit völlig zufrieden. Es gab viele Mädchen, mit denen ich hätte ausgehen können -Mädchen, die ich am Strand oder in der Erfrischungshalle kennenlernte -, aber mir lag nichts daran.
    Ich kaufte mir die Morgen- und die Abendausgaben der New Yorker Zeitungen. Außer der ersten Erwähnung des Krawalls
    und der Tatsache, daß der Polizist im Krankenhaus lag, war von der ganzen Geschichte nicht mehr die Rede. Aber ich war weiterhin vorsichtig und vermied es, Marianne zu schreiben oder sie anzurufen, aus Angst, daß sie von der Polizei überwacht werden könnte. Ich verhielt mich ruhig und wartete das Ende der Saison ab. Ich mußte viel an Marianne denken. Keine Frau hatte mich je so fasziniert. Aber wie sie selbst empfand, würde ich erst wissen, wenn ich sie wiedersah.
    Der Juli war vorbei, und der August ging bereits dem Ende zu. Ich hatte noch etwa drei Wochen zu arbeiten, und dann würde ich nach New York zurückkehren. Dort schien mir keine Gefahr mehr zu drohen. Der Krawall hatte nicht soviel Staub aufgewirbelt, wie ich angenommen hatte. Ich war bereit, nach New York zu fahren, sobald ich meine Tätigkeit hier beendet hatte.
    Es war der letzte Mittwoch im August. Ich lag auf dem heißen Sand und hatte mir einen Arm übers Gesicht gelegt, um meine Augen zu schützen. Die Sonne brannte, und ich duselte schläfrig vor mich hin, als mich plötzlich ein Gedanke aus meinen Träumereien aufscheuchte. Was war, wenn Marianne nicht auf mich wartete? Ich sprang auf, raste in eine Telefonzelle und ließ mich mit ihr verbinden.
    Es war gegen elf Uhr morgens. Ich überlegte, ob sie wohl zu Hause sei. Ich kam mir ziemlich verrückt vor und wollte gerade wieder aufhängen, als sich eine klare, warme Stimme meldete.
    Ich stotterte beinahe in meinem Redeeifer: »Marianne?«
    »Frank!« rief sie überrascht. »Liebster, wo steckst du? Ich dachte schon, du würdest nie mehr zurückkommen.«
    Ich war glücklich über die herzliche Zuneigung, die ich aus ihrer Stimme hörte. »Ich bin in Atlantic City. Ich hab' hier Arbeit gefunden. Aber ich mußte dich anrufen und hören, wie's dir geht.«
    »Mir geht's gut«, erwiderte sie. »Dir auch?«
    »Großartig.«
    »Wann kommst du zurück?«
    »In etwa drei Wochen. Dann ist meine Arbeit hier zu Ende.«
    »Kannst du nicht früher kommen? Ich möchte dich sehen. Es gibt so vieles...« Sie ließ den Satz unvollendet.
    »Ich möchte gern, aber ich kann nicht. Ich habe versprochen, bis zum Ende der Saison hierzubleiben.« Ich wechselte das Thema. »Ist dort alles in Ordnung?«
    Sie wußte, was ich meinte. »Alles ist hier ganz normal. Liebster, kann ich dich nicht besuchen? Wir könnten ein paar Tage zusammensein. Ich kann einfach nicht mehr länger warten.«
    »Ich weiß nicht, ob es sich lohnt«, sagte ich zögernd. »Ich arbeite von drei Uhr nachmittags bis ein Uhr morgens. Wir hätten gar nicht viel Zeit.«
    »Wir werden schon ein paar Minuten herausschinden können. Außerdem wird mir die Ruhe guttun. Ich habe in den letzten Monaten tüchtig gearbeitet und auch über vieles nachgedacht.«
    »Du auch?« Ich lächelte in den Hörer hinein. »Ich hab' mir in den letzten Wochen auch viele Gedanken über uns gemacht.«
    »Na, siehst du?« rief sie. »Ich muß dich unbedingt sehen. Ich muß wissen, ob du genauso empfindest wie ich. Ich komme. Wo wohnst du?«
    Ich nannte ihr den Namen des Hotels.
    »Ich fahre noch heute abend. In ein paar Stunden, wenn ich ein paar Sachen zusammengepackt habe.«
    »Ich arbeite bis eins. Vielleicht ist es besser, wenn du in die Erfrischungshalle kommst. Sie liegt an der Promenade im Victoria-Hotel.«
    »Heute abend bin ich da.«
    »O. k. Also bis dann.«
    »Liebster, ich liebe dich«, sagte sie.
    Für einen Augenblick war ich ginz still. Die Worte klangen mir im Ohr. »Marianne.« Mehr konnte ich nicht sagen. »Marianne.«
    »Ja«, sagte sie leise. »Liebst du mich, Frank?«
    »Das weißt du doch.«
    »Ich hab' es gewußt«, flüsterte sie. »Seit dem Augenblick, als ich dich in meinem Zimmer sah, seit dem ersten

Weitere Kostenlose Bücher