Die Moralisten
herunter.«
»Etwas Ungewöhnliches ist Ihnen nicht aufgefallen,
Neunzehntes Kapitel
»Etwas Ungewöhnliches ist Ihnen nicht aufgefallen, als Sie im ersten Stock waren?«
»Nun, das Ganze war für mich ungewöhnlich«, antwortete Cesare. »Wenn Sie aber etwas Bestimmtes meinen, einen Zwischenfall vielleicht, muß ich nein sagen. Ich sah dort bloß die Menschenmenge und Leute, die aus den Fahrstühlen kamen, während ich Mühe hatte, mich durchzuschieben, um wieder zur Treppe zu gelangen.«
»Aus welchem Grund logierten Sie gerade in den genannten Hotels? Weshalb nicht in irgendeinem anderen? In Las Vegas oder Miami, meine ich.«
Cesare sah ihn etwas arrogant an. »Hotels, Mr. Baker, sind auch Modesache. Und in meinem Geschäft muß ich solche Nuancen beachten.« Er nahm sich aus einem Kästchen auf dem Tisch eine Zigarette. »Mir erscheint es eigentlich angemessener, Sie zu fragen, wer für die Unterbringung der erwähnten Zeugen verantwortlich war und zugelassen hat, daß sie in diesen besonders teuren Luxushotels logierten.«
»Sie haben keinen der Zeugen gesehen?«
Cesare zündete gemächlich die Zigarette an und erwiderte: »Nicht daß ich wüßte. Außerdem hätte ich sie doch gar nicht erkannt, wenn sie mir begegnet wären, denn ich wußte ja nicht, wie sie aussahen.« Er zögerte einen Moment. »Ach doch, in Las Vegas habe ich vielleicht einen von ihnen gesehen. Ich weiß es nicht. Als Miss Lang und ich das Kasino verlassen wollten, wurde ein Gast hinausgetragen, an uns vorbei.«
»Das war einer der Zeugen«, sagte Baker.
»So? Schade, daß ich das damals nicht wußte«, entgegnete Cesare höflich. »Ich hätte sonst vielleicht mehr auf ihn geachtet.«
»Können Sie sich nicht doch an irgendeine Kleinigkeit erinnern, die uns von Nutzen sein kann? Ist Ihnen jemand besonders aufgefallen? Oder eine Gruppe von Personen?«
Cesare schüttelte den Kopf. »Tut mir leid, Mr. Baker, mir ist wirklich nichts Ungewöhnliches im Gedächtnis geblieben«, sagte er bedauernd. »Verstehen Sie: Ich machte ja Ferien mit einer sehr schönen Frau, und da habe ich mich um meine sonstige Umgebung so gut wie gar nicht gekümmert.«
Baker wußte, daß er mit seinem Latein am Ende war. Das Gespräch war beendet, und erfahren hatte er nichts. Als er aufstand, bemerkte er an der Wand hinter Cesare zwei gekreuzte Dolche. »Was sind das für Waffen?«
Cesare drehte sich gar nicht um. »Stilette«, antwortete er.
Baker ging zur Wand und betrachtete die von dunkler Patina verfärbten Dolche. »Stilette«, wiederholte er gedehnt. »Mit solchen Waffen wurden die Zeugen getötet.«
»Ja, das habe ich gelesen.«
»Besitzen Sie die hier schon lange?« fragte Baker.
»Es sind Familienerbstücke«, erwiderte Cesare. »Ich habe eine beträchtliche Sammlung davon, in meiner Wohnung hier in der Stadt und auch zu Hause in Italien. Das Stilett war bei den Borgias, die zu meinen Ahnen gehören, eine bevorzugte Waffe.«
»Aha. Vermutlich wissen auch Sie, sachkundig damit umzugehen?«
Cesare erhob sich lächelnd. »Ich denke ja«, antwortete er, »aber in der modernen Gesellschaft gibt es kaum Gelegenheit, es darin zur Meisterschaft zu bringen. Waffen unterliegen, wie so vieles andere, den Launen der Mode.«
Er nahm eines der Stilette von der Wand, betrachtete es einen Moment und gab es dann Baker. »Die kleinen vierrädrigen Spielzeuge, die wir da unten im Salon verkaufen«, sagte er, »töten in einem Monat mehr Menschen, als sämtliche Stilette je getötet haben, seit das erste in Florenz hergestellt wurde.«
Baker studierte die zierliche Klinge in seiner Hand, dann sah er wieder Cesare an. Eine unklare Erinnerung kam ihm. »Sind Sie der Cardinali, der einmal italienischer Meister im Florettfechten war?«
Cesare nickte. »Auch eine der uralten Sportarten, die mir Freude machen. Fechten Sie auch?«
»Früher mal. Auf dem College war ich in der Fechtmannschaft.« Baker legte das Stilett behutsam auf den Telefontisch. »Jetzt muß ich gehen. Besten Dank für Ihre Hilfsbereitschaft, Graf Cardinali.«
»Tut mir leid, daß ich Ihnen nicht besser helfen konnte«, erwiderte Cesare höflich.
Das Stilett lag noch auf dem kleinen Tisch, als Miss Martin ins Zimmer kam, nachdem Baker gegangen war. Ihr Blick streifte die Waffe, und mit der in langem beruflichen Umgang entwickelten Vertraulichkeit fragte sie: »Was wollte der Mann?«
Cesare ergriff das Stilett, hängte es wieder über das andere, drehte sich lächelnd zu ihr um und sagte: »Es
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