Die Moralisten
vornehmen, und wenn er zehnmal Gios Neffe war! Tonio war zu oft abwesend, wenn er heimkam. Amerika hatte den Bengel verdorben.
Er betrat das Schlafzimmer, knipste die Beleuchtung an und wollte ins Bad gehen. Da hörte er im Bad Wasser rauschen. Er zögerte und rief zum drittenmal: »Tonio.« Rasch wollte er die Tür zum Bad öffnen, da fiel ihm Bakers Warnung ein. Eine kurze Bewegung, und schon blinkte in seiner Rechten das Stilett. Leise ging er dicht an die Tür und stieß sie auf.
Eine Frau trat gerade aus der Duschkabine. Sie hatte ein Frottiertuch in der Hand und sah ihn an, als sei sie über sein Erscheinen bestürzt. »Cesare!«
»Ileana!« Seine Stimme klang ebenso erstaunt. »Was führt denn dich hierher? Ich dachte, du bist in Kalifornien.«
Sie hüllte sich in das Badetuch. »Ich habe geduscht«, sagte sie. Ihr Blick fiel auf das Stilett in seiner Hand. »Was hast du mit dem Messer vor? Erwartest du etwa einen Überfall in deinem eigenen Bad?«
Er ließ die Waffe in seinem Ärmel verschwinden. Ileana eilte zu ihm, umarmte und küßte ihn. »Oh, Cesare, ich brauche deine Hilfe!«
Er musterte sie skeptisch. Meistens war es nicht Ileana, die Hilfe benötigte. Eher ihre Partner. »Was ist denn aus deinem reichen Texaner geworden?« fragte er.
Sie sah zu ihm auf. »Nun bist du böse mit mir, das merke ich schon«, sagte sie. »Weil ich in Monte Carlo nicht auf dich gewartet habe.«
»Du hast meine Frage nicht beantwortet, Ileana.«
Sie wandte sich ab, ging zum Frisiertisch, setzte sich vor den Spiegel und betrachtete sich. »Sei nett zu mir, Cesare«, sagte sie kleinlaut. »Ich habe Furchtbares durchgemacht.« Sie zog vom Handtuchhalter ein kleines Tuch und hielt es ihm hin. »Bitte, trockne mir den Rücken ab.«
Er nahm das Tuch. »Der Texaner, Ileana - was ist mit ihm?«
Ihre Augen weiteten sich. »Darüber will ich nicht sprechen. Es ist zu schrecklich. Findest du, daß ich abgenommen habe, Cesare?«
Nun lächelte er und begann, mit dem Tuch ihren Rücken abzutupfen. »Du siehst recht gut aus«, erwiderte er. »Also, was ist passiert?«
Ileana schloß für Sekunden die Augen. »Das beruhigt mich«, sagte sie. »Ich war fest überzeugt, zu sehr abgenommen zu haben.« Sie drehte sich zu ihm um: »Der Texaner der war verheiratet.«
»Das wußtest du doch vorher.«
»Natürlich. Aber seine Frau ist eine abscheuliche Person, die gar kein Verständnis für ihren Mann hat. Eine kleinliche Provinzlerin. Sie hat mich sogar bei der Einwanderungsbehörde angezeigt, und das sind ganz sture Leute, nicht wahr?«
Cesare schwieg.
»Die begriffen einfach nicht«, fuhr sie schnell fort, »wieso ich in diesem Land acht Jahre ohne Geld und ohne zu arbeiten leben konnte. Sie sagten zu mir, wenn ich keine Stellung oder irgendeine Einkommensquelle hätte, würden sie mich wegen Verstoß gegen die Moralgesetze ausweisen!«
Cesare legte das Handtuch hin. »Und was hast du ihnen geantwortet?«
»Daß ich für dich arbeite. Was hätte ich denn sonst antworten können?« Sie zuckte die Achseln. »Und die glaubten mir nicht, als ich sagte, ich brauchte mir meinen Unterhalt gar nicht zu verdienen. Cesare - würdest du mich in deiner Firma anstellen?«
»Das kann ich dir nicht so ohne weiteres versprechen«, sagte er lächelnd. »Was für Kenntnisse hast du denn? Du kannst weder Stenographie noch Schreibmaschine. Als was sollte ich dich anstellen?«
Sie stand auf, sah ihm in die Augen, ihre Nacktheit noch unsicher mit dem Frottiertuch verhüllend, und fragte: »Du bist doch in der Autobranche, nicht wahr?«
Er nickte.
Ileana trat ganz nahe an ihn heran. »Da muß es doch etwas geben, was ich tun könnte. Ich hab ja mal einen Rolls-Royce gehabt.«
Laut lachend umarmte er sie und gab ihr einen Kuß. »Na gut, mal sehen, was sich machen läßt.«
»Oh, du bist wundervoll!« Mit beiden Händen streichelte sie seine Wangen. »Ich werde dir keinen Ärger machen, Cesare, das verspreche ich. Zu arbeiten brauche ich ja nur so lange, bis ich das Anrecht auf eine Nummer bei der Sozialversicherung habe. So nennt man das doch, ja? Und das genügt dann schon, um die zu überzeugen, daß ich mich legal im Lande aufhalte.«
Er umarmte sie fester. »Du darfst den Leuten jederzeit erzählen, daß ich deine Eltern kannte.«
Sie sah ihm rasch ins Gesicht. War das eine Anspielung? Doch es schien nicht so, sein Lachen wirkte harmlos. Aber ihr
war plötzlich beklommen zumute. Und zum erstenmal seit langem dachte sie an ihre
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