Die Moralisten
gönnerhaft.
»Ja«, antwortete Baker, »in Rom 1951.«
»Mein Kompliment.« Cesare begann eine Attacke auf seine Art. »Signor Antonelli sucht sich seine Schüler sehr sorgfältig aus. Er nimmt nur die besten.«
Baker hatte jetzt Mühe, sich zu verteidigen. Zu einem Angriff kam er nicht mehr. »Ich muß wohl bei ihm doch nicht genug trainiert haben«, keuchte er.
Cesare lachte wieder. »Das Fechten fordert einem viel ab. Und heutzutage sind ja, wie ich schon betonte, andere Waffen mehr in Mode.«
Seine Klinge schien plötzlich von selbst zu wirbeln, und Baker vermochte bei dem Tempo kaum noch zu atmen. Sein
Florett kam ihm zentnerschwer vor. Cesare, der das merkte, griff für ein Weilchen nicht ganz so scharf an.
Baker spürte den Schweiß, der ihm übers Gesicht rann. Jede Bewegung strengte ihn jetzt an, während Cesare noch graziös tänzelte und ruhig atmete. Baker wußte, daß Cesare schon ein dutzendmal Gelegenheit zum entscheidenden Stoß gehabt hatte und den absichtlich vermied. Noch ein paar Minuten so, dann falle ich um, dachte er. Zorn stieg in ihm auf und gab seinen Armen noch einmal frische Kraft. Er riß sich für einen letzten Angriff zusammen, lenkte Cesares Klinge seitlich ab und stieß zu.
»Touché!« hörte er die Zuschauer sagen. Er blieb ruckartig stehen und blickte an sich hinab. Cesares Florettspitze ruhte auf seinem Herzen. Der geschickte Stoß war so schnell gekommen, daß er ihn überhaupt nicht bemerkt hatte.
Er senkte sein Florett, schob die Maske hoch und sagte, nach Luft ringend: »Sie sind mir zu überlegen, Graf Cardinali.«
Cesare salutierte. »Für mich war’s ein Glück, daß Sie nicht zuviel Zeit zum Trainieren gehabt haben«, erwiderte er. »Trinken Sie ein Glas mit mir?«
»Danke, ja. Ich könnte jetzt einen Whisky vertragen.«
Sie saßen im Klubzimmer vor dem Kaminfeuer. Cesare hatte die langen Beine ausgestreckt und spielte mit seinem Glas. Dabei sah er den FBI-Beamten unverwandt an. »Sie sind doch nicht bloß wegen des Fechtens hierhergekommen?«
Die so unverblümt gestellte Frage überraschte Baker. »Sie haben recht, Graf Cardinali. Ich kam her, um Sie zu warnen und Ihnen Hilfe anzubieten.«
»Das ist sehr freundlich von Ihnen, aber wovor wollen Sie mich denn warnen?«
»Wir haben erfahren, daß Ihr Leben bedroht ist.«
»Wie melodramatisch.« Cesare lachte.
Baker blieb ernst. »Zum Lachen ist das durchaus nicht. Es gibt ein paar Leute, die Ihren Tod wollen.«
»Was für Leute?«
Baker blickte ihn fest an, als er antwortete: »Big Dutch, Allie Fargo und Dandy Nick.«
»Und wer sind diese Herren?« Cesare zuckte mit keiner Wimper.
»Die Angeklagten, die ungeschoren blieben, weil die Zeugen, die sie belastet hätten, vor dem Prozeß ermordet wurden. Die behaupten nämlich, Sie seien der >Stiletto<.«
Cesare lachte amüsiert. »Wenn das zuträfe - warum sollten sie mich dann umbringen wollen? Wenn ich der wäre, der ihr elendes Leben gerettet hat?«
Baker beugte sich vor. »Das ist ja gerade der springende Punkt. Die drei haben Angst vor Ihnen und befürchten, daß Sie sie bekämpfen würden.«
»Dann sind sie Idioten«, sagte Cesare und trank einen Schluck.
»Aber gefährlich! Gegen Kugeln von hinten gibt es keinen Schutz.«
Cesare erhob sich. »Ich kann mich selber beschützen«, sagte er kurz. »Ich bin im Krieg in schlimmeren Gefahren gewesen, als diese Männer je erlebt haben. Das müssen Sie doch allmählich wissen, da Ihr Büro so gründlich arbeitet.«
Baker nickte. »Ja, gewiß, aber wir würden Ihnen gern helfen.«
Mit kalter Ironie gab Cesare zurück: »Ihr Büro hat mir schon sehr geholfen. Diese Männer wüßten vielleicht gar nichts von meiner Existenz, wären nicht Sie so erpicht darauf gewesen, in der Presse zu glänzen.«
Baker stand auf. »Das bedauern wir, Graf Cardinali. Ich weiß nicht, wie die Zeitungen von unserem Gespräch erfahren haben, aber falls Sie in eine brenzlige Lage kommen sollten, zögern Sie nicht, uns zu Hilfe zu rufen.« Er reichte Cesare die Hand.
»Besten Dank, Mr. Baker, doch das wird, glaube ich, nicht nötig werden.«
Cesare schloß seine Wohnungstür auf, trat in den kleinen Flur, zog seinen Mantel aus und rief: »Tonio!«
Einen Augenblick blieb er horchend stehen, dann ließ er den Mantel in einen Sessel fallen, ging zur Küchentür, öffnete sie und rief noch mal: »Tonio.« Keine Antwort.
Kopfschüttelnd ging er zurück ins Wohnzimmer und auf sein Schlafzimmer zu. Den Jungen würde er sich einmal
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