Die Moralisten
Bogentür zum Eßzimmer, eine große Tüte mit Lebensmitteln in den Armen.
»Exzellenz!« rief er. »Sie kommen ja so früh nach Hause!« Und bedeutungsvoll zum Schlafzimmer weisend, begann er mit Verschwörermiene zu flüstern: »Die Baronin de Bronczki ist.«
»Ich weiß«, unterbrach ihn Cesare. »Ich habe sie schon gesehen. Aber wo hast du gesteckt, Bengel?«
Ileana erschien in der Schlafzimmertür und antwortete an seiner Stelle: »Ich habe ihn losgeschickt, um Verschiedenes fürs Souper zu besorgen. Ich dachte es mir so nett, heute abend hier mit dir zu speisen.«
Cesare drehte sich zu ihr um und musterte sie. Sie trug eine enganliegende Torerohose aus schwarzem Samt, eine Bluse aus Goldlame und goldfarbene Pumps. »So, hast du dir gedacht?« sagte er. »Wie kommst du darauf, daß ich zu Hause essen möchte? Vielleicht möchte ich im El Morocco soupieren?«
Sie schüttelte lachend den Kopf. Ihr langes schwarzes Haar glänzte im Licht, als sie auf ihn zukam. »O nein, Cesare, das könnten wir gar nicht. Heute abend jedenfalls nicht.«
»Warum nicht?«
»In dieser Kleidung ließe man mich gar nicht in das Lokal, und mehr als dies hier habe ich nicht mitgebracht.«
»Wie? Nur das? Wo ist denn deine übrige Garderobe?«
Ileana nahm sein Gesicht zwischen ihre Hände, küßte ihn auf die Wange, ging zur Couch und setzte sich.
»Tonio, bring uns Cocktails«, befahl Cesare.
Der Junge verbeugte sich. »Jawohl, Exzellenz«, sagte er und verschwand.
»Also, Ileana, was ist mit deiner Garderobe geschehen?«
»Die befindet sich in Kalifornien«, antwortete sie schlicht. »Alles, was ich bei mir habe, ist dieser Anzug und der Nerzmantel. Der Hoteldirektor war nämlich auch recht kleinlich. Er ließ mich nicht mehr auf mein Zimmer, sobald die Frau von meinem Texaner aufkreuzte und ihre Szene machte. Zum Glück hatte ich noch den Rückflugschein nach New York in der Handtasche. Also fuhr ich zum Flughafen, und hier bin ich nun.« Sie lächelte ihm zu. »War das nicht reiner Dusel?«
Ehe Cesare antworten konnte, war Tonio wieder da. »Die Cocktails, Signore.«
Tonio stellte die silberne Kaffeekanne und die winzigen Tassen auf den niedrigen Couchtisch und zog sich wieder ins Eßzimmer zurück. Cesare hörte ihn das Geschirr abräumen.
Er beobachtete, wie Ileana den Kaffee eingoß. Zu seiner Verwunderung fühlte er sich zu Hause einmal wohl und behaglich. Das war eben das Schöne bei Ileana. Sie machten einander nichts vor, denn sie kannten sich zu gut.
Sie reichte ihm eine Tasse. »Zucker?«
Er schüttelte den Kopf, nahm die Tasse und begann langsam zu trinken. Für bitteren Kaffee hatte er eine Vorliebe.
»Du bist heute abend so still, mein Lieber«, sagte sie auf französisch.
»Ich bin müde«, gab er in derselben Sprache zurück. »Hatte sehr viel zu tun.«
Sie setzte sich neben ihn und streichelte sanft seine Schläfen. »Nun, also war es doch gut, daß ich vorgesehen hatte, mit dir hier zu essen, nicht wahr?«
Er nickte und schloß die Augen. Die leichte Berührung ihrer Finger beruhigte ihn.
»Wir gehen früh schlafen, und ich werde darauf achten, daß du dich schön ausruhst«, fuhr sie fort. »Ich werde dich möglichst wenig stören und mich im Bett ganz klein machen.«
Cesare öffnete die Augen, sah sie wieder an und sagte: »Morgen werde ich für dich ein Hotelzimmer nehmen. In meinem Hotel.«
»Das wird nicht nötig sein«, entgegnete sie rasch. »Die Wohnung ist doch komfortabel, und Platz genug ist hier auch.«
»Amerikaner sehen so etwas anders, das weißt du selbst, Ileana«, sagte er lächelnd. »Es ist besser, wenn du ein Hotelzimmer hast.«
Sie gab ihm einen flüchtigen Kuß. »Also gut, wie du meinst.«
Er trank einen Schluck Kaffee. Tonio kam wieder herein. »Haben Exzellenz noch Wünsche?«
»Nein, danke, Tonio. Gute Nacht.«
»Angenehme Ruhe, Exzellenz. Angenehme Ruhe, Baronessa«, sagte Tonio gewandt.
»Gute Nacht, Tonio«, erwiderte Ileana freundlich und sah dem kleinen Diener nach, als er hinausging. Dann füllte sie wieder Cesares Tasse. »Ich habe mir das überlegt«, sagte sie. »Wir können nicht jeden Abend zu Hause essen.«
Nun lächelte er breit, denn er wußte, was kam. Seine Rechte griff schon in die Tasche. »Wieviel wirst du brauchen?«
Einen Moment schien sie nachzudenken. »Da ich ja nun für dich arbeiten werde, ist es wohl nicht unziemlich, einen kleinen Vorschuß auf mein Gehalt anzunehmen.«
Er nickte. »Absolut nicht. Das ist allgemein
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