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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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protestierte Ileana wütend. »Alles, was ich in der Schule bekommen habe, steht mir noch gut.«
    »Die Mode hat sich geändert, und die Sachen sind zu altmodisch«, sagte die Liebste. »Ich möchte nicht, daß die Leute erfahren, daß du dir keine vernünftige Garderobe leisten kannst. Du wirst ihr einen Brief schreiben und ihr erklären, daß du leider schon anderweitige Abmachungen getroffen hast. Du kannst mein Briefpapier nehmen, wenn du willst.«
    »Dein vornehmes Briefpapier kannst du dir sparen«, sagte Ileana, den Tränen nahe. »Ich hab mein eigenes.« Wütend verließ sie das Zimmer.
    Sie war noch im Korridor, als es an der Wohnungstür klingelte.
    Die Liebste rief: »Ach, Liebling, mach doch bitte die Tür auf. Ich bin in einer Minute fertig.«
    Ileana biß die Zähne zusammen und ging zur Tür. Es war wieder einer von ihren amerikanischen Freunden. Er war schon leicht betrunken. Ileana stellte sich vor und sagte, sie sei die Schwester der Liebsten.
    Er trat ein und setzte sich auf die Couch. Dann sah er sie an. »Die Baronin hat mir nie gesagt, daß sie eine so hübsche Schwester hat.«
    Ileana mußte lachen über diesen typisch amerikanischen Versuch, galant zu sein. »Meine Schwester hat mir auch nie gesagt, daß sie einen so attraktiven Freund hat.«
    Er lachte und war mit sich und der Welt zufrieden. »Wirklich schade, daß ich heute abend abreisen muß. Sonst hätten wir beide uns bestimmt näher kennengelernt.«
    Aus dem Flur war die Stimme der Liebsten zu hören. »Du mußt nach Hause fahren, John? Oh, das tut mir aber leid.«
    Sie kam ins Zimmer. John hatte Mühe aufzustehen. »Man hat mich zurückgerufen«, sagte er betrübt. »Eine dringende Sache in der Firma.«
    »Das ist sehr schade«, sagte die Liebste und gab ihm die Hand.
    »Wirklich schade«, sagte er ernst und sah ihr dabei in die Augen. »Dreimal haben wir uns zum Cocktail und zum Essen getroffen, und jedesmal habe ich mir gesagt, nächstes Mal klappt’s. Und jetzt muß ich nach Haus fahren, und es gibt kein nächstes Mal mehr.«
    »Aber du kommst doch wieder nach Paris zurück«, sagte die Liebste.
    »Ja, aber wer weiß wann?« Er setzte sich wieder auf die Couch. Er sah die Liebste an. »Ich habe unten in der Bar drei Whiskys getrunken, bevor ich reingekommen bin.«
    Die Liebste lachte ihr falsches Lachen, das Ileana so gut kannte. »Aber warum denn?« fragte sie.
    Er machte ein ernstes Gesicht. »Ich muß dich etwas sehr Wichtiges fragen.«
    Die Liebste sah Ileana an. »Holst du uns wohl ein bißchen Eis aus dem Kühlschrank, Liebling? John trinkt den Whisky gern mit viel Eis.«
    Ileana ging aus dem Zimmer. Sie nahm die Eiswürfel aus dem Kühlfach und tat sie in ein Schälchen. Als sie wieder ins Zimmer kam, waren John und die Liebste still. Sie stellte das Schälchen auf den kleinen Couchtisch und entdeckte den Stapel Banknoten. Es war amerikanisches Geld.
    Sie warf John einen schnellen Blick zu. Er sagte kein Wort. In der Hand hielt er noch seine Brieftasche. Sie sah ihre Mutter fragend an.
    John bemerkte ihren Blick. Er sah zu der Liebsten: »Ich erhöhe auf zweitausendfünfhundert Dollar, wenn sie mitmacht.«
    Plötzlich begriff sie, was er meinte. Sie rannte mit hochrotem Kopf aus dem Zimmer durch den Flur und schlug die Tür hinter sich zu.
    Ein paar Augenblicke später kam die Liebste in ihr Zimmer. Sie betrachtete ihre Tochter mit ausdruckslosem Gesicht.
    »Warum bist du so weggelaufen?« fragte sie wütend. »Du hast dich absolut infantil benommen.«
    Ileana starrte ihre Mutter an. »Aber du weißt doch, was er wollte, Mutter. So was Ekelhaftes. Er wollte, daß wir mit ihm ins Bett gehen.«
    »Das brauchst du mir nicht zu erklären«, sagte die Liebste heftig.
    »Du willst doch nicht mit ihm ins Bett gehen?« Ileana konnte es nicht fassen. »Mit diesem betrunkenen Kerl?«
    »Ich werde mit ihm ins Bett gehen«, sagte die Liebste ruhig. »Und du kommst mit!«
    Ileana sprang auf. »Das werde ich nicht tun! Und du kannst mich nicht dazu zwingen!«
    »Weißt du eigentlich, wieviel Geld das ist, zweitausendfünfhundert amerikanische Dollar? Eineinhalb Millionen Francs auf dem Schwarzmarkt. Was glaubst du denn, wovon wir die ganze Zeit gelebt haben? Von den zweiunddreißig Pfund Invalidenrente im Monat, die dein Vater von der Armee bekommt? Was glaubst du denn, wovon wir seine Medikamente und seine Arztrechnungen bezahlen? Von dem Landgut das er nie wiedersehen wird? Was meinst du denn, was für ein Leben das für mich ist? Ich

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