Die Moralisten
haben ein Telegramm für Sie.« Der Empfangschef holte unter dem Tisch ein Kuvert hervor. Cesare öffnete es, während er wieder zu Ileana ging. Den Text beachtete er kaum, denn es war die von Emilio Matteo avisierte Mitteilung. »Ich erfahre gerade, daß mein Mechaniker erkrankt ist.«
»Das tut mir leid!« rief Ileana. »Ernsthaft?«
»Es bedeutet, daß ich einen Ersatzmann finden muß«, antwortete er. »Ich will gleich mal zur Garage gehen und sehen, was sich machen läßt.«
»Ja, gut. Bleibst du lange?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete er. »Geh schon auf dein Zimmer und richte dich ein. Es kann eine Weile dauern. Zum Abendessen hole ich dich jedenfalls ab.«
In der Garage herrschte hektischer Betrieb, als Cesare hereinkam. Alle Wagen wurden vor dem Rennen noch einmal überholt.
Er ging durch den Raum zu dem kleinen Büro an der Rückwand. Der Garagenmeister kam auf ihn zu. »Graf Cardinali!« rief er erfreut. »Schön, Sie wiederzusehen.«
Cesare ergriff die dargebotene Hand. »Und ich sehe Sie auch
jedesmal gern, Señor Esteban«, sagte er.
»Ihr Wagen steht auf der unteren Rampe, Box 12«, erklärte Esteban. »Sie wollen ihn sich doch gewiß gleich anschauen!«
»Ja, das möchte ich gern, aber im Moment beschäftigt mich ein schwieriges Problem. Mein Mechaniker ist erkrankt, ich brauche Ersatz für ihn.«
Das Lächeln des Garagenmeisters wich sogleich einem besorgten Ausdruck. »Das ist allerdings schwierig, Graf Cardinali. Alle Ferrari-Spezialisten sind doch fest verpflichtet.«
»Weiß ich, aber trotzdem müssen wir Ersatz schaffen, sonst kann ich nicht starten.«
»Dazu dürfen wir’s nicht kommen lassen«, sagte Esteban rasch. »Ich werde mich umtun und rufe Sie sofort, wenn ich Erfolg habe.«
»Vielen Dank.« Cesare lächelte. »Ich bin also vorläufig beim Wagen und werde mir Mühe geben, ihn selber startbereit zu machen.«
Eine Stunde ungefähr hatte er schon an seinem weißen Ferrari hantiert, als er eine Frau bemerkte, die auf ihn zukam. Er richtete sich auf. Wie flott und sportlich sie in dem weißen Overall aussieht, dachte er bewundernd.
Vor seinem Wagen angekommen, fragte sie mit einer tiefen, sympathischen Stimme: »Graf Cardinali?«
Er nickte, fischte eine Zigarette aus seinem Jackett, das er an die Wagentür gehängt hatte, und antwortete: »Ja, bitte?«
»Señor Esteban sagte mir, daß Sie einen Mechaniker suchen.« Ihre Augen waren tiefblau.
»Wissen Sie denn einen, der frei ist?«
»Ich bin selber einer«, erklärte sie lächelnd.
»Sie?« fragte er verblüfft. »Nein, dieses Rennen ist nichts für Frauen. Es geht über siebzehnhundert Kilometer.«
Sie wurde ernst. »Ich bin auch solche Strecken schon gefahren, wenn es sein mußte. Aber wir fahren gar nicht so weit«, erklärte sie gelassen.
Cesare starrte sie fassungslos an. »Wie meinen Sie das?«
»Es wird nicht nötig sein, so weit zu fahren, weil.« Sie neigte sich über die Motorhaube und flüsterte: »Don Emilio hat andere Pläne.«
Er war überrascht. Mit einer Frau hatte er nicht gerechnet. Sie richtete sich wieder auf und reichte ihm lächelnd die Hand. »Ich heiße Luke Nichols.«
»Ja, aber - kennen Sie die Wagen von Ferrari auch wirklich genau?« fragte Cesare skeptisch.
»Ganz genau. Ich habe in vielen Ländern Rennen auf Ferrari gefahren.« Sie sah über Cesares Schultern Esteban kommen und ergänzte: »Fragen Sie ihn.«
Cesare drehte sich um. Esteban sagte, gutmütig grinsend: »Wie ich sehe, haben Sie sich schon zusammengefunden. Das ist fein.«
»Aber eine junge Frau in diesem schweren Rennen? Das hat’s doch noch nie gegeben!« protestierte Cesare.
»Für Sie ist das ein besonderer Glücksfall, Graf Cardinali«, versicherte ihm Esteban. »Señorita Nichols hat viele Angebote bekommen, hatte sich aber bereits entschlossen, bei diesem Rennen gar nicht mitzumachen - bis sie hörte, daß Sie so in der Klemme sitzen. Voriges Jahr fuhr sie noch selber einen Ferrari.«
Cesare wandte sich ihr wieder zu. »Es war also Ihr eigener? Und was ist damit?«
Sie zuckte mit den Schultern. »Ich verlor das Rennen, und der Wagen war schon bis an die Radkappen verpfändet. Ich hoffte, hier in Mexiko vielleicht einen gebrauchten billig kaufen zu können, hatte aber damit kein Glück.«
»Na schön«, sagte Cesare, »wenn mein Freund Señor Esteban es bestätigt, müssen Sie ja allerlei von Rennen verstehen. Übliche Teilung des Geldpreises, falls wir gewinnen. Wenn nicht, fünfhundert als Entschädigung
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