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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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sie.
    Er sah sie forschend an. Seine Schwester redete immer davon, arbeiten zu wollen, aber irgendwie wurde niemals etwas daraus. »Hast du wirklich die Absicht?«
    Sie nickte.
    Er zupfte einen Grashalm vom Boden und kaute ihn nachdenklich. In gewisser Weise erinnerte sie ihn an Mike. Beide nahmen sie Geld so ernst. Plötzlich hatte er einen Einfall. »Kannst du tanzen?« fragte er. Sie sah ihn neugierig an. »Natürlich«, antwortete sie.
    »Ich meine, gut tanzen«, sagte er mit Nachdruck.
    Sie nickte. »Recht gut.«
    Er stand auf und zog Marja hoch. »Komm«, sagte er und ging auf seinen Wagen zu. »Dann wollen wir mal sehen.«
    Der gedämpfte, disharmonische Klang eines Tanzorchesters drang zerrissen durch den langen engen Gang bis zu ihnen. Die Wände waren mit Bildern von Mädchen bedeckt, die alle das gleiche, einladende Lächeln auf ihren Lippen trugen.
    Unter den Bildern hing ein langes, weiß gemaltes Plakat.
    KOMM UND TANZ MIT MIR. NUR ZEHN CENT.
    Die Musik wurde lauter, während sie die Treppe hinaufgingen. Am Ende der Treppe befand sich eine kleine Kabine, vor der Ross stehenblieb.
    »Zwei«, sagte er und reichte einen Dollarschein durch das kleine Fenster hinein.
    Schweigend schob ihm der Mann zwei Eintrittskarten hin. Ross nahm sie und ging durch die Tür voran. Ein zweiter Mann nahm die Karten und lochte sie.
    Der Tanzsaal war lang und schmal und in einem trüben Blau gestrichen. Das elektrische Licht war gedämpft. Die Kapelle am anderen Ende des Saals hatte soeben ein Stück beendet. Einige Paare, die verloren auf der Tanzfläche umherstanden, begannen sich nach den Seiten hin zu entfernen. Einige Mädchen saßen an Tischen in der Nähe der Tür. Sie hatten, als Ross eintrat, rasch aufgeblickt, und automatisch erschien ein Lächeln um ihre Lippen, das ebenso schnell verschwand, als sie sahen, daß er nicht allein war.
    Zu ihrer Rechten zog sich eine lange Bar hin, vor der mehrere Reihen ungedeckter Tische standen. Ross führte Marja zu einem der Tische, und sie setzten sich. Sofort beugte sich ein Kellner über sie.
    »Bier«, sagte Ross, ohne aufzublicken. Er sah Marja fragend an. »Ein Coca-Cola«, antwortete sie.
    Der Kellner entfernte sich. Die Kapelle begann wieder zu spielen. Es war ein einschmeichelnder Foxtrott.
    »Bereit?« fragte Ross.
    Jenes seltsame Lächeln trat auf ihre Lippen. »Immer bereit«, sagte sie.
    »Gehn wir tanzen.«
    Sein Gesicht war warm und gerötet, als er sie an den Tisch zurückführte. Er hegte nun nicht mehr den geringsten Zweifel daran, daß sie tanzen konnte. Sie folgte ihm, als sei sie ein Teil von ihm. Sie hatte ein sicheres Gefühl für Rhythmus. Und obwohl andere Mädchen sich mehr an ihn schmiegten und ihn fester hielten, war es doch mit keiner anderen so, als ob die Musik sie durchströmte und sie zusammenhielt.
    Er lächelte, als er sein Bierglas hob und trank. »Nun?« fragte sie. »Du kannst tanzen«, sagte erwiderstrebend und stellte sein Glas hin. »Wo hast du es gelernt?«
    »Ich habe niemals Unterricht genommen«, antwortete sie und lächelte noch immer.
    Einen Augenblick schwiegen sie. Sie wartete darauf, daß er wieder redete.
    »Die Mädchen hier verdienen zwischen zwanzig und fünfzig Dollar in der Woche.«
    Noch immer spielte das Lächeln um ihre Lippen. »Nur mit Tanzen?« fragte sie. Ihre Stimme klang etwas skeptisch.
    Er zögerte. »Im allgemeinen schon.«
    »Das Tanzen wird also im Durchschnitt zwanzig abwerfen«, meinte sie.
    Er nickte und beobachtete sie aufmerksam.
    Sie hob ihr Glas und trank. »Aber man braucht nicht mitzugehen?« fragte sie. »Man braucht nur zu tanzen?«
    Wieder nickte er, ohne etwas zu sagen.
    »Das ist eine Menge Geld«, sagte sie.
    Plötzlich war ihm das alles zuwider, und er ärgerte sich über sich selber. Er warf einen Schein auf den Tisch und stand auf. »Komm«, sagte er, »gehen wir.«
    Schweigend erhob sie sich. In diesem Augenblick hörte sie hinter sich eine dröhnende Männerstimme. »Hallo, Ross! Lange nicht mehr gesehen. Wo hast du denn gesteckt?«
    Überrascht wandte sie sich um. Ein großer Mann mit grauschwarzem Haar und dunklen, überschatteten Augen stand hinter ihr.
    Der Mann sah sie an und fuhr fort, bevor Ross Zeit zu einer Antwort fand. »Brauchst mir nichts zu erklären«, rief er. »Kein Wunder, daß meine Mädchen nicht mehr gut genug für dich sind.« Marja lächelte und sah Ross an. Auch um seinen Mund lag ein Lächeln, aber seine Augen blieben kalt. »Hallo, Joker.« Er zögerte einen

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