Die Moralisten
gehst du mir dann aus dem Weg?« fragte er.
Sie blickte in seine Augen. Er hatte etwas an sich, das sie an ein Tier erinnerte, etwas Wildes und Unbeherrschtes. Es war wohl sein grenzenloser Egoismus. »Ich liebe es nicht, ausgenutzt zu werden«, erklärte sie.
Das Musikstück war zu Ende, und sie wollte zu den Tischen zurückgehen. Aber seine Hand hielt sie auf. Wieder streckte er ihr eine Karte hin. Sie nahm sie und blieb wartend stehen, bis die Musik erneut einsetzte.
»Ich hatte geglaubt, du magst mich, Marja.«
»Ich habe dich auch einmal gemocht«, antwortete sie. »Aber du hast dich mir gegenüber nicht anständig verhalten.«
»Es tut mir leid.« Er lächelte. »Aber es ist alles glatt gegangen. Niemand ist zu Schaden gekommen.«
Ein Ausdruck der Trauer erschien in ihren Augen. »Doch«, entgegnete sie, »ich. Ich hatte geglaubt, du wärest anders.«
»Es war doch nur ein Spaß, Marja!« rief er und versuchte, sie fester an sich zu ziehen. Er spürte die Wärme ihres Körpers durch seine Jacke. Alles Erregende war noch immer da. »Ein junger Mensch kann doch einmal über die Stränge schlagen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Wenn du das Geld gebraucht hättest. Das hätte ich noch verstehen können.«
»Marja«, bat er. Sie waren nun in einer dunklen Ecke angelangt, und er versuchte sie zu küssen.
Sie wandte ihr Gesicht ab. »Laß das, Ross«, sagte sie scharf. »Ich brauche diese Stellung hier.«
»Aber, Marja«, bettelte er, »übermorgen fahre ich weg und komme
erst in fünf Monaten wieder. Ich muß dich vor meiner Abreise noch sehen.«
Sie schüttelte den Kopf. »Ich kann nicht.«
»Warum?«
Wieder war ein Stück zu Ende. Sie löste sich aus seinen Armen und ging auf die Tische zu. Er riß sie heftig zurück.
»Da«, stieß er rauh hervor, »da hast du alle deine verdammten Karten. Renn nicht immer gleich davon, wenn die Musik aufhört.« Wortlos nahm sie das Bündel Karten und steckte sie in eine kleine Handtasche. Die Musik setzte wieder ein, und sie kehrte in seine Arme zurück.
»Warum willst du dich nicht mit mir treffen?«
Sie begegnete seinem Blick. »Willst du es wirklich wissen?«
Er nickte. »Sag es mir.«
Sie atmete tief ein. »Erstens, ich will nicht. Zweitens, ich habe keine Zeit. Meine Mutter liegt krank im Bett. Sie hat ihre Arbeit verloren, und ich muß den Tag über für sie und meinen kleinen Bruder sorgen. Sind das nicht Gründe genug?«
»Nein«, erwiderte er schroff. Wieder drängte er sie in die dunkle Ecke und versuchte sie zu küssen. Sie drehte ihr Gesicht weg. Er bemerkte nicht, wie sie mit ihrer Handtasche ein Zeichen gab. Gleich darauf legte sich eine schwere Hand auf seine Schulter und wirbelte ihn herum.
Der riesige, gorillaähnliche Rausschmeißer stand vor ihm. Neben ihm tauchte Joker Martin auf und lächelte. »Paß auf, mein Junge«, sagte der Rausschmeißer, »du benimmst dich hier, oder du fliegst an die Luft.«
Ross spürte, wie alle Farbe aus seinem Gesicht wich. Er sah Marja an. Ihr Gesicht war ohne jeden Ausdruck. »Gut, Marja«, sagte er. »Wenn du es so haben willst.« Er drehte sich um und verließ die Tanzfläche.
Joker Martin begleitete sie, als sie zu den Tischen zurückkehrte. »Dein Freund schien ziemlich aufgebracht zu sein«, meinte er. »Er ist nicht mein Freund«, entgegnete sie.
Er machte ein überraschtes Gesicht. »Aber das letzte Mal, als ihr zusammen hier wart, habt ihr euch doch so gut verstanden.«
»Ja«, antwortete sie abweisend. »Damals war es noch anders. Aber er hat etwas getan, was mir nicht gefallen hat.«
Martin blickte ihr ins Gesicht. »Was war das?«
Sie zuckte schroff die Achseln. »Es hat mir ganz einfach nicht gepaßt, das ist alles.«
»Hat es etwas mit falschen Würfeln zu tun?« fragte Martin in einem harmlosen Tonfall.
Bestürzung spiegelte sich auf ihrem Gesicht.
Er lächelte. »Du hältst uns wohl für sehr dumm, mein Kind? Wir sind alte Profis, und wir haben’s sofort gemerkt.« Er zündete sich eine Zigarette an. »Ich habe mir schon gedacht, daß du deshalb so schnell verschwunden bist. Hast du gewußt, was er vorhatte?«
»Nein«, antwortete sie.
»Das habe ich mir auch gedacht.«
»Aber warum haben Sie denn nichts unternommen, wenn Sie es wußten?«
Er lächelte freundlich. »Sein Alter hat eine Menge Beziehungen. Eines Tages kommt er zurück, und wir werden ihm das Geld mit Zinsen wieder abnehmen. Bis dahin können wir warten. Wir haben Geduld. Sie kommen immer wieder zurück.«
Sie
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