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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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wird, verschwinde sofort. Wir können es uns nicht leisten, daß du hier geschnappt wirst, sonst ist unsere Konzession zum Teufel.«
    »Ich werde schon aufpassen, Mr. Martin«, versicherte sie ihm und stand auf. »Ich verspreche es Ihnen.«
    Er öffnete ihr die Tür. Sie blieb einen Augenblick stehen.
    »Nochmals vielen Dank, Mr. Martin«, sagte sie mit leiser, belegter Stimme. »Ich werde es Ihnen nicht vergessen, wie nett Sie zu mir waren.«
    Er stand in der Tür und blickte ihr nach, während sie zum Umkleideraum ging. Verwundert schüttelte er den Kopf. Selbst jetzt, da er es wußte, fiel es ihm schwer, es zu glauben. Noch nicht einmal sechzehn Jahre. Aber manche dieser Polinnen waren sehr frühreif. Er lächelte vor sich hin, als er die Tür schloß und wieder an seinen Schreibtisch trat.
    Die Zeit und die Jahre würden für sie niemals von großer Bedeutung sein. Sie besaß bereits jetzt alle Klugheit, die sie im Leben brauchte. Sie hatte den richtigen Instinkt für Männer.
    Sie öffnete die Tür und trat in die Küche. Ihr Stiefvater las eine Zeitung, die vor ihm auf dem Tisch ausgebreitet lag.
    »Was macht der Kleine?« fragte sie.
    »Nichts«, antwortete er unfreundlich. »Er schläft schon die ganze Zeit.«
    Sie ging in ihr Zimmer und warf einen Blick in das Bettchen. Peter schlief friedlich, den einen Daumen im Mundwinkel. Sanft nahm sie ihm den Daumen aus dem Mund. Plötzlich spürte sie die Blicke ihres Stiefvaters und drehte sich rasch um.
    Er stand in der Tür zu ihrem Zimmer und beobachtete sie. Jäh stieg ihm die Röte ins Gesicht.
    »Was willst du?« fragte sie.
    Er räusperte sich. »Nichts«, antwortete er und kehrte in die Küche zurück.
    Sie zog sich Kleid und Unterkleid aus, warf sich einen Morgenmantel um, ging in die Küche und drehte den Wasserhahn am Abwaschbecken auf.
    Ihr Stiefvater blickte von seinem Stuhl zu ihr hinüber. »Dieser Mike«, fragte er vorsichtig, »hat er dich nach Hause begleitet?«
    »Ja«, antwortete sie und wusch sich ihr Gesicht mit Wasser und Seife.
    »Der mag dich wohl?«
    »Ich nehme es an«, erwiderte sie.
    »Du bleibst immer sehr lange mit ihm unten stehen, bevor du heraufkommst?« Etwas Lauerndes lag in seiner Stimme.
    Sie wandte sich ihm kühl zu. »Worauf willst du hinaus?«
    Er wich ihrem Blick aus und sah auf die Tischplatte. »Nichts weiter.« »Dann kümmere dich um deine eigenen Sachen«, rief sie, durchquerte den Raum und ging auf den Hausflur hinaus.
    Als sie in die Küche zurückkehrte, wartete er an der Tür und packte ihren Arm. Sie blickte ihm ins Gesicht. Ihre Augen verengten sich etwas, aber sie sagte kein Wort.
    »Du bist ein sehr hübsches Mädchen, Marja.« In seiner Stimme lag ein verborgenes Flehen.
    Noch immer sagte sie nichts.
    »Vielleicht kannst du auch einmal zu mir so nett sein wie zu ihm«, meinte er unbeholfen. »Dann wären doch alle glücklich, nicht wahr?«
    Sie schüttelte seine Hand ab. Sie war zu müde, um wirklich zornig zu werden. Ihre Stimme klang stumpf und matt. »Peter«, sagte sie - und es war das erste Mal, daß sie ihn bei seinem Vornamen nannte, ohne »Onkel« hinzuzufügen - »mach dich nicht lächerlich. Ich bleibe hier, weil Mama es so gewünscht hätte. Aber das ist auch alles.«
    Er kam mit ihr bis zur Schlafzimmertür. Er hielt den Atem an und wagte noch eine Frage. »Marja, du weißt doch, was ich dir gegenüber immer empfunden habe?«
    »Ich weiß es«, entgegnete sie kühl. »Aber du bist nicht mein Typ. Wenn du wirklich so dringend eine Frau brauchst, dann geh doch und such dir eine.«
    Sie warf ihm die Tür hastig vor der Nase zu und drehte den Schlüssel laut herum, damit er es hören konnte. Sie wartete, bis sich seine Schritte entfernten. Dann zog sie sich rasch ganz aus und legte sich in ihr Bett.
    Sie streckte ihre Arme über dem Kopf aus und ließ die leichte Brise vom Fenster her über ihren Körper streichen. Tief in sich verspürte sie eine schmerzliche Einsamkeit. Sie schloß die Augen und glaubte in der Dunkelheit das Gesicht ihrer Mutter vor sich zu sehen.
    »Sei ein braves Mädchen, Marja«, schien Katti zu sagen.
    »Das will ich, Mama«, versprach sie flüsternd und drehte sich auf die Seite. Sie vernahm noch das leise Zuschlagen der Tür des Eisschrankes, während sie einschlief.
    17
    Joker Martin sah zu ihr auf. Sie stand vor seinem Schreibtisch. »Ich habe die Sache in Ordnung gebracht«, sagte er. »Das Wohlfahrtsamt ist damit einverstanden, daß du am Nachmittagsunterricht in der Schule

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