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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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»Hallo«, sagte sie in den Apparat.
    »Marja?« Die vertraute Stimme drang in ihr Ohr. »Hier spricht Mike.«
    Erst in diesem Augenblick wurde ihr bewußt, wie sehr sie ihn vermißt hatte. Sie lächelte in den Apparat. »Wie geht es dir, Mike?« »Gut«, antwortete er. »Und dir?«
    »Ich bin zufrieden.«
    »Ich wollte mit dir sprechen«, erklärte er, »aber ich hatte im College so viel zu tun.«
    »Ich bin so froh, daß du mich anrufst, Mike«, sagte sie leise. »Du hast mir gefehlt.«
    »Wirklich?« Seine Stimme klang nun hell und glücklich. »Ehrlich, Mike.«
    »Können wir uns treffen, wenn du mit deiner Arbeit fertig bist?« fragte er.
    »Natürlich«, antwortete sie rasch.
    »Unten. An der gleichen Stelle. Am ersten Wagen von der Ecke ab«, erklärte er ihr.
    »Gut.«
    »Marja?« Er zögerte.
    »Was ist, Mike?«
    »Du wirst mich dieses Mal nicht versetzen?« bat er.
    »Ich werde da sein, Mike«, sagte sie.
    Als sie herauskam, lehnte er an einem Wagen und richtete sich auf, während sie auf ihn zuging. Sie blickte ihm ins Gesicht. Er sah müde und mager aus. »Hallo«, rief sie.
    Ein verlegenes Lächeln erschien auf seinem Gesicht. »Hallo.« Einen Augenblick standen sie da und sahen einander an, bis Marja das
    Schweigen brach. »Willst du mich nicht zu einer Tasse Kaffee einladen?«
    »Natürlich«, meinte er, »du hast mir das Wort aus dem Mund genommen.«
    Sie wollte schon zum Drugstore gehen, aber er nahm ihren Arm und führte sie in ein in der Nähe gelegenes Restaurant. Sie traten ein und setzten sich an einen Tisch.
    Sie musterte das weiße Tischtuch. »Junge, Junge, wir leben ja ganz groß!«
    Er lächelte. »Für uns nur das Beste.«
    Aber sie bemerkte, daß er beim Bestellen vorsichtig war. »Was hast du getrieben?«
    »Nicht viel«, antwortete er. »College. Lernen. Arbeiten.«
    »Du hast abgenommen«, meinte sie.
    Er zuckte die Achseln. »Ich wurde ohnehin zu schwer.«
    Der Kellner stellte den Kaffee vor sie hin. Sie nahm einen Schluck und wartete darauf, daß er zu sprechen begann.
    »Wie geht es dem kleinen Peter?« fragte er.
    »Gut.« Sie lächelte. »Er läuft schon und fängt an zu reden. Er nennt mich >Ja-Ja<.«
    Sie bemerkte, daß er sich nicht nach ihrem Stiefvater erkundigte. »Und was macht die Arbeit?«
    »Es geht gut.«
    Er schwieg, während er ihr zusah, wie sie ihren Kaffee trank. Er selbst rührte die Tasse vor sich nicht an. »Du trinkst ja deinen Kaffee nicht«, sagte sie.
    »Ich habe keine Lust«, antwortete er. Plötzlich stand er auf und warf einen Schein auf den Tisch. »Komm, gehen wir.«
    Sie folgte ihm auf die Straße hinaus. »Was ist los, Mike?«
    Er blickte ihr ins Gesicht. »Ich habe eine Nachricht für dich«, sagte er tonlos.
    Sie war verwundert. »Für mich?«
    Er nickte. »Von Ross. Er läßt dir sagen, daß er im nächsten Monat nach Hause kommt.«
    Ihre Hand glitt von seinem Arm herab. »Und deswegen hast du mich angerufen? Um mir das auszurichten?«
    Er sagte nichts, und sein Gesicht war verschlossen.
    »Und was erwartet man jetzt von mir?« fragte sie spöttisch. »Etwa Freudensprünge?«
    Er schwieg noch immer.
    Sie blieb stehen. Er machte zwei Schritte, bevor er bemerkte, daß sie nicht mehr neben ihm war. »Was ist?« fragte er verwundert. »Du hast es mir ausgerichtet«, sagte sie mit abweisender Stimme. »Danke.«
    »Er glaubt noch immer, daß du sein Mädchen bist«, erklärte er.
    Sie blickte mit großen Augen in die Nacht. »Und was glaubst du?« Niedergeschlagen stand er da. »Ich weiß nicht, was ich glauben soll. Er scheint seiner Sache so sicher.«
    Sie trat in einen dunklen Hausgang. »Mike«, sagte sie.
    »Ja?«
    »Komm her, Mike.«
    Er folgte ihr in den Hausgang. Sie schlang ihre Arme um seine Schultern, zog sein Gesicht zu sich herab und küßte ihn. Zuerst stand er wie erstarrt da, dann legte er seine Arme um sie und zog sie an sich. Sie standen eine Weile da, während in seinem Kopf alles durcheinanderging.
    Schließlich löste sie sich von ihm. Ihr ganzer Körper zitterte in seiner leidenschaftlichen Umarmung. »Und was glaubst du jetzt , Mike?« »Aber du hast nie etwas gesagt«, erklärte er verwirrt. »Du hast dich auch nicht so benommen, als wolltest du gern mit mir zusammen sein. Denke nur an das letzte Mal, als du mich versetzt hast. Ich habe länger als eine Stunde auf dich gewartet, aber du bist nicht erschienen.«
    Ihre Augen wirkten in der Dunkelheit grünlich und schimmerten wie die einer Katze. »Ich muß arbeiten, Mike. Ich

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