Die Moralisten
sein Glas.
»Auf Ihre Gesundheit. Ich war jetzt zwei Wochen lang so be schäftigt hier unten, daß ich gar nicht mehr weiß, was in der Welt vorgeht. Haben Sie inzwischen mit dem Maharishi gesprochen?« »Ja«, nickte Judd.
»Haben Sie von ihm alles gekriegt, was Sie wollten?« »Wahrscheinlich. Er hatte tatsächlich die Aufzeic hnun-gen von Dr. Zabiski, die wir gesucht haben. Sie war seine Halbschwester. Die beiden haben bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs in einem deutschen Laboratorium gearbeitet. Es handelte sich um geront ologische Untersuchungen.« Sawyer hörte aufmerksam zu.
»Dr. Zabiski hat schon damals mit Frischzellen gearbeitet. Früher als jeder andere. Wollen Sie wissen, was sie für Zellen benutzt hat?«
Sawyer nickte. »Ich habe einen Verdacht. Waren es Zellen aus dem menschlichen Fötus?« »Wie kommen Sie zu dieser Vermutung?« fragte Judd.
»Dr. Zabiski hat damals darauf bestanden, daß zehn Frauen künstlich mit Ihrem Samen befruchtet wurden.
Wäre es nur darum gegangen, Ihre Zeugungsfähigkeit nachzuweisen, hätten schließlich ein oder zwei Versuchspersonen genügt. Zehn Frauen waren ein bißchen viel.« »Aber diese Mädchen hatten doch alle Fehlgeburten?« »Das lag nicht an Ihnen und auch nicht an Dr. Zabiski«, seufzte Doc Sawyer. »Das habe ich arrangiert. Ich hatte einfach nicht die Nerven, um Dr. Zabiskis Helfershelfer zu werden. In meinen Augen sind Menschen nicht als Versuchskaninchen geeignet. Daß Dr. Zabiski für die Nazis gearbeitet hat, war ihr persönliches Problem. Da konnte ich wirklich nicht mitmachen.«
»Wissen Sie eigentlich, daß ich ein Kind habe?« fragte Judd beiläufig.
Sawyers Überraschung schien ungeheuchelt. »Nein. Von wem?«
»Von Sofia«, erwiderte Judd. »Ich weiß nicht, wie sie das alles geschafft hat, aber sie hat sich offenbar der Abtreibung widersetzt und ist dann kurz vor der Entbindung für ein paar Tage aus der Sowjetunion in die Vereinigten Staaten geflogen.« Doc Sawyer starrte Judd verblüfft an. »Haben Sie davon gewußt?«
»Nein. Ich weiß es auch erst seit unserer letzten Konferenz in San Francisco. Da hat es Barbara mir erzählt.« »Haben Sie schon mit Sofia darüber gesprochen?« Judd schüttelte den Kopf. »Wozu? Die Verantwortung lag ja bei ihr, und ich habe nicht die Absicht, deswegen mein Leben zu ändern.«
»Aber was wird aus dem Kind?«
»Das Kind ist bei Barbara, und was mich betrifft, so ist mir das vollkommen recht.«
»Sind Sie denn gar nicht neugierig? Wie es aussieht? Ob es Ihnen ähnlich ist...«
»Barbara hat mir alles gesagt«, unterbrach ihn Judd. »Der Junge hat genau die gleichen blauen Augen wie ich. Aber das ist mir vollkommen ega l.«
Doc Sawyer stand auf, um sich einen neuen Scotch an der Theke zu holen.
»Sie sind ein merkwürdiger Mensch«, meinte er nachdenklich. »Ich werde Sie niemals verstehen. Wahrscheinlich kann Sie auch niemand verstehen.«
»Das ist mir genauso egal«, lächelte Judd. »Können wir nach dem Essen Vielleicht einen Blick in die Laboratorien mit den Zellkulturen werfen?«
»Wenn Sie wollen«, sagte Doc Sawyer gleichgültig. »Und ob ich will«, lächelte Judd.
»Haben Sie etwas dagegen, wenn ich Ihnen vor dem Essen noch rasch den Blutdruck messe und ein EKG
mache? Hier oben kommt der Kreislauf leicht durcheinander.« »Okay, fangen Sie an!« Doc Sawyer klappte seinen Arztkoffer auf. »Ich habe das tragbare EKG-Gerät mitgebracht. Haben Sie heute schon irgendwelche Medikamente oder Drogen genommen?«
»Nein«, sagte Judd. »Ich bin clean.«
»Legen Sie sich auf die Couch«, bat Sawyer. Er befestigte die Elektroden, studierte sorgfältig den Kontroll-streifen und schaltete das Gerät dann wieder ab. Dann befestigte er an Judds Oberarm die Manschette, um den Blutdruck zu messen.
»Sie sollten den Druck an meinem Schwanz messen«, grinste Judd, als der Arzt fertig war.
»Das hätte keinen Sinn«, lächelte Sawyer, »die Nadel würde abbrechen.« Er nickte zufrieden. »Es geht Ihnen offenbar gut. Der Blutdruck ist 80 zu 140, das Herz schlägt normal. Gibt es sonst irgendwas?«
»Na, geht es Ihnen jetzt besser?« frotzelte Judd. Sawyer stand auf. »Wir sehen uns dann beim Essen«, sagte er und ging aus der Tür.
Das Abendessen war einfach. Es gab Filetsteaks mit Pilzen, gebackene Kartoffeln, grüne Bohnen und Mohrrüben. Danach etwas grünen Salat und französischen Käse. Auch der Wein kam aus Frankreich, es war ein 76er Château Mouton Rothschild. Nach dem Essen tranken sie
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