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Die Moralisten

Titel: Die Moralisten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Unbekannter Autor
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gearbeitet hat«, bestätigte der Maharishi. »Deshalb habe ich auch als erster erfahren, daß Wissenschaft allein nicht genügt.«
    »Sie hat Ihnen vieles anvertraut«, was sie sonst nie jemand mitgeteilt hat«, sagte Judd höflich.
    »In unserer Weltanschauung waren wir aber trotzdem sehr weit voneinander entfernt«, erklärte der Maharishi.
    »Kurz vor ihrem Tod hat sie mir mitgeteilt, daß Sie der Erbe all ihrer Erkenntnisse sein sollten.« Er nahm ein in Leder gebundenes Notizbuch aus dem Schreibtisch und reichte es Judd. »Das hier sind die Aufzeichnungen aus
    den Jahren 1935 bis 1944.«
    Neugierig blätterte Judd in den Papieren. Manche Seiten waren mit Tinte beschrieben, die meisten hingegen mit Bleistift. Judd hob den Kopf und warf dem Maharishi einen verblüfften Blick zu. »Das ist ja in Deutsch.«
    »Ja«, nickte der Maharishi. »Sie hat die Aufzeichnungen nachts gemacht. Im Laboratorium des Konzentrati-onsla gers.«
    »Sie hat für die Deutschen gearbeitet?« »Das haben wir alle getan«, erwiderte der Inder ohne zu zögern.
    »Entweder man hat für sie gearbeitet, oder man wurde getötet.«
    Nachdenklich gab Judd die Notizen an Sofia weiter. »Woran wurde denn in diesen Laboratorien gearbeitet?« fragte er den alten Mann.
    »Es waren Forschungen über Langlebigkeit«, erklärte der Maharishi. »Der Auftrag kam direkt vom Fü hrer.
    Er wollte das ganze Tausendjährige Reich persönlich erleben.« Der alte Mann seufzte und wandte sich ab. »Im August 1944 wurde uns allen klar, daß Deutschland den Krieg endgültig verloren hatte. Sowohl die Gefangenen als auch die Wachmannschaften gerieten in Panik. Dann kam der Befehl, alle Spuren zu beseitigen. Jeder, der mit den Experimenten zu tun gehabt hatte, sollte umgebracht werden. Aber meine Schwester, die eigentlich meine Halbschwester war, fand einen Ausweg. Meine Mutter, die zweite Frau meines Vaters, war Inderin gewesen, und ich sprach damals schon fließend Englisch. Deshalb schickte meine Schwester mich nach Westen, wo Montgomery vorrückte. Sie selbst flüchtete in Zivilkleidung in Richtung der russischen Linien. Ins Futte r ihrer Jacke hatte sie den Ausweis ihrer Mutter eingenäht, die aus der Sowjetunion stammte. Wir trennten uns in einem kleinen
    Dorf an der Elbe, in der Hoffnung, mindestens einer von uns würde den Krieg überleben.«
    »Was für Experimente hatte Ihre Schweste r denn bei Ihnen durchgeführt?«
    »Dieselben wie bei sich selbst«, erwiderte der Maharishi. »Es war eine Form der Zelltherapie.«
    »Wie die von Niehans?« fragte Judd. »Woher hatten Sie denn die ungeborenen Lämmer, die man für die Therapie braucht?«
    Der alte Mann hielt seinem Blick ungerührt stand. »Es gab keine.«
    Judd starrte ihn ungläubig an. Einen Augenblick lang sagte er gar nichts. Dann fragte er: »Sind das die Experimente, die sie in diesem Notizbuch beschreibt?« »Ja.« Der Maharishi nickte.
    »Aber ich dachte, sie hätte eine Methode entdeckt, bei der geklonte Zellen der Versuchsperson verwendet werden.« Judd wirkte hilflos. »Von menschlichen Embryos war niemals ...«
    »Es hat auch geklonte Zellen gegeben«, unterbrach ihn der alte Mann, »aber das war nur ein Teil der Behandlung.« Er atmete schwer. »Der menschliche Überlebenswille ist stärker als die Konfrontation mit tausendfachem Tod und stärker als jede Moral.«
    Judd starrte ihn wortlos an, aber der alte Mann blieb vollkom men ruhig. »Ich weiß, jetzt sind Sie erschrocken.
    Sie spüren Abscheu und Ekel. Ich bitte Sie: Machen Sie sich frei von die sen Gefühlen. Bald werden Sie selbst sich entscheiden müssen, ob Sie die Behandlung mit letzter Konsequenz wollen oder ob Sie auf Unsterblichkeit verzichten.« »Das glaube ich nicht«, sagte Judd mit fester Stimme. »Die gewaltigen Fortschritte der Gentechnologie machen die Methoden Ihrer Schwester überflüssig.
    Schon jetzt haben wir in unseren Laboratorien menschliche Zellen erzeugt, die von natürlichen nicht mehr zu unterscheiden sind. Sogar Zellen, die sich selbst reparieren, wenn sie verletzt werden, Zellen, die sich immer wieder reproduzieren, ehe sie absterben.« »Wollen Sie behaupten, Sie hätten das Geheimnis des Lebens entdeckt?« fragte der Maharishi bedächtig. »Noch nicht«, sagte Judd, »aber eines Tages sind wir soweit.«
    Der alte Mann schüttelte zweifelnd den Kopf. »Ich bin darüber sehr traurig. Das Geheimnis des Lebens darf nur dem Schöpfer gehören.«
    »Und wenn der Mensch selbst der Schöpfer ist?« fragte

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