Die Mordaugen von Brüssel
dort hängenden Glocken erkennen konnten.
In der regenklaren Luft kam mir das Kloster vor wie ein altes Gemälde, das wir betrachteten, wobei wir uns selbst innerhalb des Bildes bewegten.
Langsam fuhren wir an unser Ziel heran.
»Na, Sinclair, wie gefällt Ihnen das?«
»Etwas unheimlich.«
»Den Eindruck halte ich beim erstenmal auch. Aber heute hat er sich noch verstärkt.«
»Wieso?«
»Keine Ahnung. Das Gefühl ist einfach da, verstehen Sie? Es ist so, als würde vor uns das Unheil lauern. Das Kloster sieht noch toter aus, noch verlassener. Ja, verlassen, als wäre kein Mensch mehr dort zugegen, als wäre ihnen nur die Flucht geblieben«, fügte der Belgier flüsternd hinzu.
Bill nahm es nicht so tragisch. »Willst du dir selbst Angst machen, Maurice?«
»Nein, ich sage nur, was ich fühle.«
Wir hatten den Weg längst verlassen und rollten über einen breiten Platz, auf dem das Unkraut kniehoch wuchs. Der Wind glitt über die dunklen Kämme der Hügel hinweg. Er streichelte das Gras, spielte mit ihm und fuhr auch rauschend in die Kronen der Bäume. Manche Klöster waren gebaut wie Burgen. Mit Wehrgängen und Wehrtürmen und auch dicken, schützenden Mauern, die die innenliegenden Hauptgebäude abschirmten.
Das war hier nicht der Fall. Dieses Haus war kompakt gebaut worden. Es besaß einen großen Eingang, ein Holztor, in dessen Nähe Maurice den Wagen ausrollen ließ.
»Aussteigen, Freunde, wir sind da.«
Bill kam auf mich zu. Er hatte eine Gänsehaut bekommen. Sein Blick war etwas unstet.
»Was hast du?«
»John, irgendwie gefällt mir das nicht. Ich habe das Gefühl, in eine Falle zu gehen.«
»Wieso?«
»Kann ich dir nicht sagen. Vielleicht wirkt das Bauwerk auf mich einfach zu tot.«
»Den Eindruck hatte ich bei meinem ersten Besuch auch«, meinte Maurice.
»Und?«
Der Belgier grinste und zündete sich dabei noch eine Zigarette an. »Ich war beobachtet worden. Man hatte mich längst gesehen. Diese Fenster sind wie Verstecke, in denen die heimlichen Beobachter lauern und auf die Besucher warten.«
»Du kannst sagen, was du willst, Maurice, aber sehr zugänglich scheinen die Mönche nicht zu sein.«
»Sie leben eben sehr einsam.«
Auch ich war skeptisch geworden. Auf mich machte diese einsame Gegend keinen positiven Eindruck, wie es eigentlich hätte sein müssen. Hier war alles düster, nicht nur vom Wetter her. Ich bekam den Eindruck, als würde sich die Dunkelheit einer verdammten Seele über den Klostermauern widerspiegeln. Kein Ort der Freude. Bill schob seinen Bekannten auf die Tür zu. »Du kennst dich hier aus, Maurice. Klingele mal.«
»Das gibt es hier nicht.«
»Wieso?«
»Man muß klopfen.«
»Dann mach.«
Der Klopfer bestand aus Eisen. Er hing in Griffhöhe sei tl ich an der Tür. Als Motiv zeigte er Kopf und Gesicht eines Mannes. Maurice packte ihn, fluchte, zog die Hand sofort wieder zurück und sprang einen Schritt nach hinten. Dann preßte er seine Handfläche gegen den rechten Innenschenkel. »Verdammt noch mal, das ist…«
»Was denn?«
Reuven verzog das Gesicht. »Heiß wie eine Herdplatte, Bill.« Er zeigte seine Hand. Wir sahen nicht nur die roten Flecken, selbst das Gesicht war teilweise in die Haut eingebrannt. Klar, daß Reuven einen Schreck und den Schmerz bekommen hatte.
»Ich werde es machen!« Mein Kreuz hatte ich schon hervorgeholt, berührte damit den Griff und lauschte dem Zischen nach, das sich anhörte, als wäre kaltes Wasser auf eine heiße Herdplatte gefallen. Dampf entstand nicht. Ich drehte mich um, sah Bills Nicken und auch Maurice, der langsam näher kam, Unglauben im Blick. Fahrig wischte er über seine Stirn.
»Schwarze Magie«, sagte ich.
»Und Sie haben sie weggeschafft?«
»So ist es.«
Er schaute auf das Kreuz. »Allmählich komme ich nicht mehr mit, Sinclair. Wer sind Sie?«
»Polizist.«
»Das glaube ich nicht. Oder nicht nur.«
Ich winkte ab. »Egal. Ich möchte nur sagen, daß dieses Kloster wohl nicht mehr so ist oder Sie es nicht mehr so vorfinden, Monsieur Reuven, wie Sie es einmal verlassen haben.«
Er zeigte sich irritiert. »Können Sie sich da nicht deutlicher ausdrücken, Sinclair?«
»Das werden wir gleich erleben.«
»Wie…?«
Bill zog den nervös gewordenen Belgier zurück, der seine verbrannte Handfläche rieb und mir zuschaute, wie ich gegen die Tür drückte, die plötzlich aufschwang.
Es hatte überhaupt keinen Widerstand gegeben. Sie lud uns ein, das Kloster zu betreten.
War es von außen schon
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