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Die Morde des Herrn ABC

Die Morde des Herrn ABC

Titel: Die Morde des Herrn ABC Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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nach Bexhill hinüberzukommen – vierzehn Meilen entfernt…»
    «Ja, es ist wirklich ein Problem», murmelte Poirot.
    «Natürlich spielt es im Grunde genommen keine Rolle mehr. Wir haben Cust beim Mord in Doncaster erwischt – der blutbefleckte Mantel, das Messer –, daran gibt es nichts mehr zu rütteln. Nicht ein Geschworenengericht würde ihn daraufhin noch freisprechen. Aber es verdirbt unseren schönen Fall. Er beging den Mord in Doncaster. Er beging den Mord in Churston. Er beging den Mord in Andover. Dann muss er doch, bei allen Teufeln, auch den Mord in Bexhill begangen haben! Aber ich sehe nicht recht, wie!»
    Er schüttelte verzweifelt den Kopf und stand auf.
    «Jetzt haben Sie Ihre große Chance, Monsieur Poirot! Crome tappt vollkommen im Dunkeln. Lassen Sie nun dieses Zellenarrangement spielen, von dem ich schon soviel gehört habe! Enthüllen Sie uns, wie er diesen vierten Mord doch begangen haben könnte!»
    Japp verabschiedete sich.
    «Nun, Poirot? Werden die kleinen grauen Zellen Ihrer Aufgabe gewachsen sein?», fragte ich.
    Poirot beantwortete meine Frage mit einer Gegenfrage.
    «Sagen Sie, Hastings, betrachten Sie den Fall als abgeschlossen?»
    «Ja, praktisch schon. Wir haben den Mann. Und wir haben erdrückende Beweise gegen ihn. Fehlen nur noch einzelne Verbindungsglieder.»
    Poirot schüttelte den Kopf.
    «Der Fall ist abgeschlossen! Der Fall! Aber der Fall ist der Mann, Hastings! Bevor wir nicht alles über den Mann wissen, ist der Tatbestand unklar wie eh und je. Ihn auf die Anklagebank gesetzt zu haben, bedeutet noch nicht den Sieg!»
    «Wir wissen aber doch recht viel von ihm und über ihn.»
    «Nichts wissen wir! Wir wissen, wo er geboren wurde. Wir wissen, dass er im Krieg gekämpft hat und dabei eine leichte Kopfverletzung davontrug, die dazu führte, dass er wegen Epilepsie vom Dienst befreit wurde. Wir wissen, dass er seit bald zwei Jahren bei Mrs. Marbury wohnte. Wir wissen, dass er ein stiller, zurückgezogener Mensch war – von der Sorte Mensch, die niemand beachtet. Wir wissen, dass er einen ungemein klugen Mordplan ausdachte und systematisch ausführte. Wir wissen, dass er ein paar unsäglich dumme Fehler machte. Wir wissen, dass er mitleidlos und sehr grausam mordete. Wir wissen auch, dass er weichherzig genug war, niemanden für seine Untaten büßen zu lassen. Wenn er unbehelligt hätte morden wollen – wie leicht hätte er da anderen die Schuld für seine Verbrechen aufbürden können! Merken Sie denn nicht, Hastings, dass dieser Mann aus lauter Widersprüchen zusammengesetzt zu sein scheint? Dumm und gerissen, grausam und weich – und dass es irgendetwas geben muss, was diese zwei Naturen verbindet?»
    «Bitte, wenn Sie ihn natürlich als psychologisches Studienobjekt betrachten…», begann ich.
    «Was war denn dieser ganze Fall anderes von Anfang an? Mühsam bin ich vorwärts gekrochen – immer bestrebt, den Mörder kennen zu lernen. Und jetzt, Hastings, sehe ich ein, dass ich überhaupt nichts von ihm weiß! Nichts, gar nichts!»
    «Machtgier…»
    «Ja, das würde manches erklären… Aber es befriedigt mich nicht. Es gibt so vieles, was mir unklar ist… Warum beging er diese Morde? Warum tötete er gerade diese Menschen?»
    «Alphabetischer Komplex…»
    «War denn Betty Barnard der einzige Mensch in ganz Bexhill, dessen Namen mit B begann? Betty Barnard… Dabei ist mir doch etwas aufgefallen… Ja, so muss es sein… Das muss ganz einfach stimmen… Aber dann…»
    Er versank plötzlich in tiefes Schweigen. Ich wagte nicht, ihn zu stören. Tatsächlich muss es so gewesen sein, dass ich ganz unvermittelt einschlief. Ich erwachte erst, als Poirot mich sanft an der Schulter rüttelte.
    «Mon cher Hastings», sagte er fast liebevoll, «mein guter Genius!»
    Diese Ehrenerklärung verwirrte mich zutiefst.
    «Doch, doch, das sind Sie wirklich», beharrte Poirot. «Immer helfen Sie mir! Immer wieder bringen Sie mir Glück! Sie inspirieren mich!»
    «Ach? Und in welcher Hinsicht, wenn ich fragen darf?»
    «Während ich mir verschiedene Fragen durch den Kopf gehen ließ, fiel mir eine Bemerkung ein, die Sie gemacht hatten – eine Bemerkung, die vor Klarheit förmlich funkelte. Sagte ich Ihnen nicht schon einmal, dass Sie im Festhalten des Unverkennbaren genial seien? Gerade diese augenfälligen, selbstverständlichen Dinge habe ich vernachlässigt.»
    «Und meine brillante Bemerkung lautete wie?»
    «Sie macht alles kristallklar. Nun weiß ich die Antwort auf alle

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