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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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nickte und übernahm das Steuer.
    Jetzt konnte er schnell machen, aber
als er das Seil nahm, das Elke ihm hinhielt, gingen wieder wertvolle Sekunden
verloren: Sam hatte seine Jacke ausgezogen und kletterte zur Bootsseite hinauf.
Quin stürzte sich auf ihn und riß ihn mit solcher Gewalt ins Boot zurück, daß
der Junge wie betäubt liegenblieb. Dann endlich hatte er das Seil um seine
Mitte, der Knoten war fest.
    «Jetzt laßt mich hinunter», sagte
er, und gleich darauf war er im Wasser.
    Die Felsen waren seine einzige
Chance. Wenn sie sich dort so lange festhalten konnte, bis er sie erreicht
hatte; doch sie ragten glitschig und glattgeschliffen aus dem Wasser. Er sah,
wie sie sich plagte, einen Halt zu finden, wie sie sich aus dem Wasser zog,
dann den Halt verlor und versuchte, ihm entgegenzuschwimmen. Doch das war
hoffnungslos. Niemand konnte gegen diese Strömung anschwimmen.
    In der Peggoty drehte Huw
plötzlich den Kopf und übergab sich. Doch das Seil hielt er ruhig und fest in
seinen Händen.
    Quin war es gelungen, näher
heranzukommen – so nahe, daß sie nur den Arm auszustrecken brauchte, um ihn zu
erreichen. Aber da schlug eine Welle über ihrem Kopf zusammen, und sie war verschwunden.
Zweimal fand er sie und verlor sie wieder. Und dann, als er die Hoffnung
beinahe aufgegeben hatte, bekam er etwas zu fassen, das er festhalten und um
seine Hand wickeln konnte; das ihm nicht wieder entglitt: ihr Haar.
    «Nein», sagte Elke Sonderstrom. «Laß sie jetzt. Du kannst später
mit ihr sprechen.»
    Quin schüttelte ihre Hand ab. Ohne
seine nassen Sachen auszuziehen, hatte er mit klappernden Zähnen das Boot
wieder gewendet und es in Richtung Hafen auf Kurs gebracht. Aber jetzt konnte
und wollte er nicht länger warten. In ihm kochte ein Zorn, wie er ihn noch nie
gekannt hatte; ein Zorn, in dem alles unterging, Kälte, Anstand, Mitleid.
    Ruth lag nackt bis auf eine grobe
graue Decke in der muffigen kleinen Kabine, in die er sie geschleift hatte. Es
roch nach Fisch und nach Teer. Es war beinahe dunkel, aber nicht so dunkel, daß
sie Quins Gesicht nicht gesehen hätte.
    «Ich hoffe, Sie sind zufrieden. Sie
sind jetzt eine Heldin – genau wie Grace Darling! Sie haben das Leben Ihrer
Freunde aufs Spiel gesetzt – dieser Junge, der so vernarrt in Sie ist, wollte
ihnen hinterherspringen, aber das spielt natürlich gar keine Rolle. Nichts
spielt eine Rolle, wenn Sie nur im Mittelpunkt stehen können, Sie verwöhnter,
geltungssüchtiger Fratz! Aber eines kann ich Ihnen sagen, Ruth. Niemand wird
Sie je wieder auf eine Exkursion mitnehmen. Dafür werde ich sorgen. Sie sind
für alle eine Gefahr. Ihnen fehlen nämlich die zwei Dinge, die nötig sind –
Rücksicht auf andere und gesunder Menschenverstand. Lieber Himmel, Verena
Plackett ist ein Musterexemplar im Vergleich zu Ihnen. Sobald der Arzt bei
Ihnen war, schicke ich Sie nach Hause.»
    Sie hatte die Augen geschlossen,
aber seiner Stimme konnte sie nicht entkommen. «Ist er tot?» fragte sie leise.
    «Wer?»
    «Der Hund.»
    «Vermutlich ja. Sie können froh und
dankbar sein, daß er das einzige Opfer ist. Wir schippern hier nicht auf einem
idyllischen österreichischen See herum, falls Sie das noch nicht bemerkt haben
sollten. Das hier ist die Nordsee.» Und als sie den Kopf drehte, um ihre Tränen
zu verbergen, flammte sein Zorn von neuem auf. «Hören Sie mir überhaupt zu?
Sind Sie überhaupt fähig zu begreifen, was Sie getan haben?»
    Ihre Stimme war fast unhörbar.
«Könnte ich – bitte – einen Eimer haben? Ich – ich muß mich übergeben.»
    Am späten
Abend geschah ein kleines Wunder. Von der Wasserwacht kam eine Nachricht, die
besagte, daß das Hündchen auf der Insel angespült worden war und lebte. Aber
Ruth war nicht da, um sich mit ihnen zu freuen.
    «Wir müssen es ihr sagen», rief
Pilly. «Wir müssen ihr eine Nachricht zukommen lassen.»
    «Der
Professor wird es ihr sagen», meinte Elke Sonderstrom. «Nein, bestimmt nicht.»
Pillys runde blaue Augen waren tief bekümmert. «Der will sie doch nur
bestrafen. Er haßt sie.»
    Elke sagte nichts. Sie, die höchst
glücklich und zufrieden ohne Männer lebte, sah manchmal tiefer, als sie es sich
wünschte.
    «Nein, Pilly», widersprach sie
ruhig. «Er haßt sie nicht. So ist das nicht.»

20
    Ruth erwachte verwirrt und benebelt aus dem
Schlaf der Betäubung. Die Uhr auf dem Nachttisch neben dem Bett zeigte auf
drei die Stunde vor Tagesanbruch, in der sich einem der Alp auf die Brust
setzt, in der die

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