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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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die breite Tür trat, die ihm
ein Page hielt, streckten ihm die Waisenkinder von Abessinien, die Arbeitslosen
und Hungernden dieser Welt bettelnd die Hände entgegen, aber ohne Erfolg.
Später würden sie vernünftig sein, er und Ruth; sie würden pflügen und
säen und Wegerechte einräumen; sie würden für weitere singende Stallknechte
bürgen, aber jetzt, in diesem Augenblick, würde er seiner Liebsten ein Geschenk
senden, und sie würde aus ihrem Bett aufstehen und wissen, was es bedeutete.
    Quin betrat also leichten Schrittes
das elegante Geschäft, und Mr. Cavour, der ihn kommen sah, leckte sich,
bildlich gesprochen, die Lippen.
    «Woran hatten Sie denn gedacht?»
fragte er, nachdem man Quin zu einem blauen Plüschsessel neben einem
Rosenholzsekretär geführt hatte. In den Vitrinen lagen, angestrahlt wie die
Schätze der Eremitage, Fabergé-Ostereier; Ohrgehänge mit funkelndem
Kristallgeriesel; eine Schmetterlingsbrosche, die die spanische Exilkönigin
getragen hatte. «Was für Steine beispielsweise?»
    Quin lächelte, war sich wohl bewußt,
daß er leicht absurd wirken mußte: Ein Mann, der bereit ist, sich für ein
Geschenk in Unkosten zu stürzen, von dessen Art er nur eine verschwommene
Vorstellung hat. Ja, an was für Steine hatte er eigentlich gedacht? Diamanten?
Sindbad hatte ein ganzes Tal voller Diamanten entdeckt; sie steckten in den
Köpfen von Schlangen und wurden von Adlern in die Lüfte getragen. Der
Orlow-Diamant war aus dem Auge eines indischen Götzenbilds herausgebrochen
worden ... der Großmogul, berühmtestes Juwel der Antike, gehörte zum Schatz
des Schah Jahan.
    Waren Diamanten das richtige für
Ruth mit ihrer Wärme, ihrer Stupsnase, ihrer kindlich komischen Art? Oder war
ihr Glanz zu eisig für sie?
    «Wir haben einen wunderbaren
Rubinschmuck da», sagte Mr. Cavour. «Die Steine stammen aus den Mogok-Minen;
einzigartig. Die wahre Taubenblutfarbe. Die Großfürstin Tromatow hatte sie
einer Amerikanerin verkauft, und sie sind gerade wieder auf den Markt
gekommen.»
    Quin überlegte. Mogok, in der Nähe
von Mandalay ... Reisfelder ... er war dort gewesen, hatte nach einer früheren
Expedition einen Abstecher dorthin gemacht und die Minen besichtigt. Warum
nicht Rubine mit ihrem besonderen inneren Feuer?
    «Oder würde Sie eher ein Halsband
aus Perlen und Saphiren interessieren? Es gibt kaum etwas Ähnliches auf der
Welt. Wir haben bereits einen Interessenten dafür, aber wenn Sie ein festes
Angebot machen möchten ...» Er sah einen der Verkäufer an und schnippte mit den
Fingern. «Gehen Sie hinunter zum Tresor, Ted, und holen Sie Nummer 509 herauf.»
    Quins Gedanken gingen ihre eigenen
Wege, er wußte nicht, mit welchem Ziel. Die profane Venus wurde immer reich
behängt mit einem Perlennetz gemalt. Die himmlische Venus jedoch malten sie
nackt, denn sie wußten, diese Weisen der Renaissance, daß die Nacktheit rein
war. Beides war ihm recht: Ruth in ihrem Lodencape, mit Schmuck behangen; Ruth
nackt um Mitternacht, einen Pfirsich essend.
    Das Kästchen wurde gebracht,
aufgeklappt. Das Halsband war super.
    «Ja ... es ist sehr schön», sagte
Quin geistesabwesend.
    Und da tauchte es plötzlich auf, das
Zeichen, der Hinweis – das, worauf er gewartet hatte: Ruth, wie sie barfuß und
mit flatterndem Haar am Strand von Bowmont stand und ihm etwas zeigte, das sie
in der Muschel ihrer Hand hielt. «Schauen Sie», sagte sie, «ach, schauen Sie
doch!»
    Er stand auf und tat das Halsband
mit einer kurzen Geste ab. «Ich weiß jetzt, was es sein muß», sagt er. «Ich
weiß es ganz genau.»
    Was er danach zu tun hatte, war schnell erledigt.
Dick Proudfoot war sonnenverbrannt und mit sich und der Welt zufrieden aus
Madeira zurückgekehrt. Er hatte vier Aquarelle produziert, von denen nur drei
ihm mißfielen. Jetzt blickte er auf das umfangreiche Dokument mit seinen
Siegeln und Bändern hinunter – eine Kopie des ersten, die ihm die Sekretärin
gerade hereingebracht hatte, als Quin unerwartet in der Kanzlei erschienen war
– und fragte dann, den Kopf hebend: «Was hast du da gesagt?»
    «Du hast mich doch genau verstanden.
Zerreiß das Papier. Vergiß die Nichtigkeitserklärung. Ich bleibe verheiratet.»
    Proudfoot lehnte sich in seinem
Sessel zurück und faltete die Hände hinter dem Kopf. «So, so. Nun,
ich kann nicht behaupten, daß ich überrascht bin.» Er grinste. «Erlaube mir,
daß ich dir von Herzen Glück wünsche.»
    Ihm fiel auf, daß er Quin seit
langem nicht so entspannt und

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