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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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hinaus.»
    Weit. Er hatte sich anscheinend
dagegen entschieden, sie zu töten, indem er aus dem Bett stieg, und sie
schmiegte sich glücklich an ihn. Dann jedoch rückte sie plötzlich von ihm ab.
    «Quin! Ich verstehe das nicht! Die
Tristesse ist bei mir völlig ausgeblieben.» Sie starrte ihn an. «Du weißt
schon, das was hinterher kommt. Diese tiefe Traurigkeit nach der Liebe. Das
steht doch in allen Büchern. Es ist der Moment, in dem einen bewußt wird, daß
jeder Mensch trotz allem hoffnungslos allein ist, und ich spüre nichts davon;
ich fühle mich absolut fabelhaft. Ich hab dir ja gesagt, ich bin nicht wie
andere.»
    «Nein», bestätigte er mit einem
leisen Lachen. «Du bist nicht im geringsten wie andere. Wenn alle so wären wie
du, würden die Götter vom Olymp herabsteigen und das Paradies auf Erden
ausrufen.» Dann fügte er hinzu: «Wir essen später.»
    Aber später schlief er ganz plötzlich
ein, und sie gelobte sich, wachzubleiben, weil sie von dieser
Nacht nicht einen Augenblick versäumen wollte ... aber dann schlief sie doch
ein, wenn auch nur kurz, und erwachte voll Erstaunen, weil sie jetzt verstand,
was die Leute meinten, wenn sie sagten, sie hat mit ihm geschlafen. Es war ein
Teil des Liebesakts, dieses gemeinsame Versinken ins Vergessen.
    Als auch er erwachte, war er voller
Reue und Bedauern. «Jetzt sollst du endlich was zu essen bekommen, mein armer
Schatz», sagte er, und sie gingen Hand in Hand in die Küche, weil sie sich
keinen Moment von ihm trennen wollte. Sie aßen Brot und Käse und tranken einen
Wein dazu, der mit Janets Liebfrauenmilch nichts gemein hatte.
    «Gott, hab ich einen Hunger», sagte
Ruth, ein großes Stück Emmentaler in der Hand. Dann hielt sie plötzlich im
Essen inne und fragte: «Glaubst du, sie kommt später, diese Tristesse? Diese
schreckliche, tragische Hoffnungslosigkeit – das Gefühl, daß jeder im Grunde
allein ist?»
    «Ich bin nicht allein», sagte Quin
und trat hinter sie, um sie in die Arme zu nehmen. «Und du auch nicht. Wir
werden nie wieder allein sein.»
    Als sie fertig gegessen hatten,
öffneten sie die Balkontür und schauten auf die schlafende Stadt hinunter und
auf den Fluß, der niemals schlief. In Quins Morgenrock gehüllt, in der Wärme
seines Arms, atmete sie die Nachtluft in tiefen Zügen.
    «Ich liebe diesen Fluß», sagte sie.
    «Ich auch», antwortete Quin. «Er
eignet sich auch gut, um eine Flaschenpost zu schicken. Morgen früh geh ich los
und kaufe tausend Limonadenflaschen, stecke in jede ein Briefchen und werfe sie
alle von der Brücke in den Fluß.»
    «Und was schreibst du in den
Briefen?»
    Er drehte den Kopf, erstaunt über
ihre Ahnungslosigkeit. «Deinen Namen natürlich. Was sonst?»
    Immer noch Hand in Hand gingen sie
ins Schlafzimmer zurück. «Es ist merkwürdig», sagte Ruth. «Ich dachte immer,
die Liebe würde so sein wie der langsame Satz von Mozarts Sinfonia Concertante
... oder wie eines dieser Barockgemälde, die meine Mutter mir im Museum
immer gezeigt hat, mit Putten und lichten Wolken und goldenen Strahlen ... oder
vielleicht auch wie das Meer. Aber so ist sie nicht, nicht wahr?»
    «Nein. Die
Liebe ist nur sie selbst.»
    «Ja.» Sie seufzte, drängte sich warm
und entspannt und glücklich an ihn.
    Er nahm sie in die Arme und sagte
leise, aber klar in die Dunkelheit: «Meine Frau.»

26
    Er hatte Ruth bald nach Tagesanbruch an der Ecke zu
ihrer Straße abgesetzt. Jetzt, pünktlich um neun, parkte er den Crossley vor
dem eleganten Juweliergeschäft Cavour und Stattersley, seit 1763 Hofjuwelier
Seiner Majestät des Königs, und stieg langsam die Treppe hinauf.
    Ganz plötzlich hatte ihn dieser
Wunsch überkommen, ihr ein Geschenk zu machen, nutzlos und über alle Vernunft
hinaus kostbar, um seiner Liebe Ausdruck zu verleihen. Ein überraschender
Wunsch, denn es gab keine solche Tradition in Bowmont – keine Familientiara,
die im Banktresor lag und an besonderen Festtagen herausgeholt wurde; kein
Somerville-Halsband, das von Generation zu Generation weitergegeben wurde.
Seine Großmutter war Quäkerin gewesen und hatte an ihren Überzeugungen
festgehalten; Frances besaß eine Kameenbrosche, die an Silvester das schwarze
Chenillekleid schmückte und meistens etwas schief saß.
    Doch seine Liebe zu Ruth – seiner
Frau, die er eben erst gefunden hatte – wollte er mit einem Fanfarenstoß
feiern, dessen Nachhall bis in kommende Generationen reichen würde. Die Zeiten
waren dagegen, ebenso sein Gewissen. Als er durch

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