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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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stimmte ihr zu. Bisher hatte sie nichts gefunden, was sich
gegen Ruth verwenden ließ, und gewisse Dinge nagten immer noch an ihr. Warum
hatte man Ruth in Bowmont in den Turm gebracht, den sonst kein Mensch betreten
durfte? Was für eine Verbindung hatte zwischen Quin und dieser Österreicherin
bestanden, bevor sie nach England gekommen war?
    «Das wirkt ziemlich herausfordernd»,
bemerkte sie mit ihrer scharfen, präzisen Stimme und verspürte Genugtuung. Wenn
Quin immer noch glaubte, sich zum Beschützer dieser Ausländerin aufspielen zu
müssen, dann würde dieses Foto dem gewiß ein Ende bereiten.
    «Ich rufe gleich seine Sekretärin
an», sagte Lady Plackett.
    So kam es, daß Quin, als er vom
Museum zurückkehrte, wo er alles Nötige für Ruths Teilnahme an der
bevorstehenden Expedition veranlaßt hatte, eine Nachricht von Lady Plackett
vorfand. Immer noch auf Wolken des Glücks schwebend, ging er ins Haus des
Vizekanzlers hinüber.
    «Wir denken, es wird Sie
interessieren, wie eine Ihrer Studentinnen ihre Freizeit verbringt», sagte
Lady Plackett spitz und schlug die Zeitung auf.
    Quin dachte nicht darüber nach, wie
das Boulevardblatt Daily Echo seinen Weg in das illustre Heim des
Vizekanzlers gefunden hatte. Er dachte nicht darüber nach, weil das Foto – eine
halbe Seite in der Mitte des Blatts – ihm einen Schlag versetzte, auf den er
überhaupt nicht vorbereitet war.
    Es zeigte Ruth und Heini Seite an
Seite, sehr nahe beieinander. Sie hielten sich nicht umschlungen, sie räkelten
sich auch nicht auf einem Sofa – nichts dergleichen. Heini saß am Flügel, und
Ruth neigte sich zu ihm, einen Arm leicht gebogen hinter seinem Kopf mit dem
lockigen Haar, und ihr Gesicht direkt der Kamera zugewandt. Glücklich und
vertrauensvoll sah sie den Betrachter mit ihrem süßen Lächeln an, und Heini,
den eine Locke ihres Haares berührte, blickte anbetend zu ihr auf. Unter dem
Bild stand natürlich: Heini und sein Star.
    «Ich denke, Sie werden mir
zustimmen, daß diese Art der Zurschaustellung in der Sensationspresse absolut
inakzeptabel ist», sagte Lady Plackett.
    «Und das ist noch nicht alles», warf
Verena ein. «Sie hat die Universität mit in Verruf gebracht. Es ist ausdrücklich
von Thameside die Rede. Sie wird als eine der brillantesten Studentinnen
bezeichnet.»
    Quin schwieg. Er verstand nicht die
Wirkung, die das Bild auf ihn hatte. Er hätte es weniger schmerzlich gefunden,
sie mit Heini im Bett abgelichtet zu sehen. Die Menschen gingen aus allen
möglichen Gründen miteinander ins Bett, aber die Hingabe und die Reverenz, mit
denen sie sich dem Jungen zuneigte, fand er unerträglich.
    «Sie scheint mir einem etwas
skrupellosen Journalisten zum Opfer gefallen zu sein», sagte er schließlich.
    Er hatte recht. Kurz nach dem
Debakel in Janets Wohnung hatte Mantella Ruth zu sich bestellt und mit Zoltan
Karkoly, einem ungarischen Journalisten, bekannt
gemacht, der jetzt für das Daily Echo arbeitete. Karkoly hatte ihr
erklärt, daß sein Artikel Teil einer Serie sein würde, die den Teilnehmern am
Bootheby-Klavierwettbewerb und der Musik, die sie spielen würden, gewidmet
war. Sehr geschickt hatte er sie ausgehorcht und eine Menge von ihr erfahren,
beispielsweise über Mozarts Menagerie; nicht nur über den Star, den er für
vierunddreißig Kreuzer auf dem Markt gekauft hatte, sondern auch über einen
nachfolgenden Kanarienvogel und das Pferd, auf dem der Komponist durch die
Straßen Wiens geritten war. Fragen über Ruth selbst und ihre Beziehung zu Heini
flocht er ganz beiläufig ein und erhielt ehrliche Antworten. Ja, sie bediente
abends im Willow; ja, sie war gern in Thameside – und ja, sie würde
Heini bis ans Ende der Welt folgen, sagte Ruth, die über die Feuerleiter vor
ihm geflohen war. Und ja, sie sei bereit, sich fotografieren zu lassen, wenn
das Heinis Karriere half.
    Karkoly hatte also mehrere Fotos am
Bechstein in der Wigmore Hall gemacht, jedoch nur das letzte verwendet, auf dem
sie ihren Kopf ein wenig gedreht hatte, weil sie fragen wollte, ob man jetzt
fertig sei, und ihr Haar nach vorn fiel, über Heinis Schulter, so daß höchstens
ein kompletter Dummkopf die Anspielung auf das Gemälde Von der Liebe
überrascht, das in jedem zweiten Wohnzimmer hing, nicht verstehen würde.
    Ruth hatte Mr. Hoyles Artikel über
das Willow nicht gesehen, und sie hatte auch Karkolys Bericht im Echo nicht gesehen. In Belsize Park hatte man kein Geld für Zeitungen. Doch
Quin, der die vollmundigen Worte

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