Die Morgengabe
hingebungsvoller Liebe las, die man ihr in den
Mund gelegt hatte, fühlte sich von einer so wahnsinnigen Eifersucht gepackt,
daß ihm spätestens dies, wenn schon nichts anderes, zeigen mußte, wie
leidenschaftlich seine Liebe war.
«Wir dürfen wohl annehmen, daß Sie
mit ihr sprechen werden?» sagte Lady Plackett.
«Ja, natürlich, das werde ich tun.»
Als er etwas später über die
Waterloo-Brücke fuhr, war Quin wieder ruhig. Der Artikel war mehrere Tage alt;
er wußte, mit welchen Tricks und Entstellungen die Journalisten nur allzuhäufig
arbeiteten, aber der Glanz dieses Tages hatte sich getrübt.
Er fuhr nach Hause, wo Lockwood ihn
erwartete, der von seinem freien Wochenende zurück war. «Mr. Cavour von der
Firma Cavour und Stattersley hat angerufen», sagte er. «Sie möchten ihn bitte
zurückrufen, wenn Sie wieder da sind. Er ist bis um halb sieben zu erreichen.
Die Nummer habe ich auf den Block geschrieben.»
«Danke, Lockwood.»
Was hatte das zu bedeuten? Sollten
sie einen Fehler gemacht haben? Ausgeschlossen, seine Instruktionen waren
eindeutig gewesen. Er ging zum Telefon. Wählte, setzte sich.
«Ah, Professor Somerville. Ich bin
froh, daß ich Sie erreicht habe. Es ist etwas sehr Merkwürdiges passiert. Das
Halsband ist uns zurückgegeben worden.»
«Was?»
«Ja, heute mittag. Miss Berger kam
selbst vorbei und hat es zurückgebracht.»
«Um etwas ändern zu lassen? Ist es
vielleicht zu lang?»
«Nein, es handelte sich nicht um
eine Änderung. Ich dachte, sie zöge vielleicht andere Steine vor. Es gibt
Leute, die behaupten, daß die Farbe grün Unglück bringt, wissen Sie. Ich hatte
einmal eine Kundin ...»
«Ja, ja. Sagen Sie mir nur, was
geschehen ist. Was wollte sie?»
«Sie wirkte sehr ärgerlich. Sie
sagte, ich solle Ihnen ausrichten, daß sie den Schmuck nicht haben wolle. Sie
war nur ganz kurz im Laden. Sehr erregt, wie mir schien. Wir behalten das
Halsband inzwischen hier, Sir, bis wir von Ihnen weitere Anweisungen bekommen.
Es kann bis dahin in unserem Tresor bleiben – aber wir wären Ihnen dankbar,
wenn Sie bald von sich hören ließen; ein so wertvolles Stück ist am besten in
der Bank aufgehoben.»
«Natürlich.» Man mußte höflich sein.
Man mußte Mr. Cavour danken. Man mußte das Abendessen zu sich nehmen, das Lockwood
zubereitet hatte.
Sollte es also wirklich diese uralte
Geschichte sein? Daß ein junges Mädchen sich einen erfahrenen Mann sucht, um
sich in die Kunst der Liebe einführen zu lassen, damit sie dann ohne Angst zu ihrem wahren Geliebten zurückkehren
kann? So übel war die Idee gar nicht. Sie hatte sie wahrscheinlich aus
irgendeinem Buch.
Nein, das war nicht wahr. Das konnte
nicht wahr sein. «Ich sterbe, wenn du mich verläßt», hatte sie vor noch nicht
vierundzwanzig Stunden zu ihm gesagt. Aber sie hatte auch andere Dinge gesagt.
Sie hatte zum Beispiel gesagt: «Ich würde Heini bis ans Ende der Welt folgen.»
Er drückte seine Stirn an die
Fensterscheibe und rang um Glauben. Morgen würde er sie sehen. Sie würde zu
seiner Vorlesung kommen; sie würde ihm alles erklären. Dieser Abstieg zur
Hölle konnte nicht Wirklichkeit sein.
«O Gott, gib mir Glauben», betete
Quin, der seit seiner Kindheit nicht mehr gebetet hatte.
Aber Gott schwieg.
Ruth saß in der Untergrundbahn und starrte auf die
Reklame auf der Wand gegenüber.
«Leiden Sie an Kälteschauer oder
Schüttelfrost? Wenn ja, dann holen Sie sich Mr. Thermo, der heizt Ihnen ein und
vertreibt alle Kältegefühle im Nu.»
Mr. Thermo, eine Art Flamme mit
Beinen, würde sich anstrengen müssen, um die Kältegefühle aus ihrem Herzen zu
vertreiben. Es war nicht etwa so, daß sie nicht geschlafen hatte – nachdem sie
das Halsband zurückgebracht hatte, war sie wieder nach Hause gegangen, hatte
ihrer Mutter erklärt, sie habe eine Migräne und war ins Bett gekrochen und
hatte sich die Decke über den Kopf gezogen. Sie hatte tatsächlich geschlafen,
denn plötzlich vernichtet zu werden, machte einen todmüde. Nein, das Schlafen
war nicht das Problem, sondern der Wachzustand, die Qual ohne Ende, die ewige
Wiederholung des gleichen: Es kann nicht wahr sein, ich kann mich doch nicht so
getäuscht haben ...
Dennoch hatte sie am Morgen
beschlossen, zu den Vorlesungen zu gehen.
«Ruth, es hat doch keinen Sinn, daß
du in diesem Zustand gehst», sagte Leonie beim Anblick des angespannten,
blassen Gesichts ihrer Tochter.
«Ich muß, Mama. Es ist der letzte
Tag heute und Professor Somervilles letzte
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