Die Morgengabe
Bemühungen um diese Flüchtlinge einspannt. Die arme Helen – er hat ihr
einen Mann aus Berlin aufgedrängt, als Chauffeur und Faktotum, und sobald
dieser Mensch mit seiner Arbeit fertig ist, holt er sich alle möglichen Leute
in sein Zimmer, und sie machen Kammermusik. Grauenvoll, dieses Geschrubbe. Sie
mußte ihm sagen, seine Musikabende in Zukunft im Stall abzuhalten. Was Quin nur
mit diesen Leuten hat! Ich meine, es gibt doch genug bedürftige Engländer, um
die man sich kümmern könnte. Die Arbeitslosen und die Kumpel aus dem
Kohlebergbau und so weiter.»
Frances Somerville nickte. «Man kann
natürlich die Art und Weise, wie dieser Hitler sich aufführt, nicht billigen –
er ist wirklich ein vulgäres Subjekt. Aber die Juden können einem auch nicht
gerade sympathisch sein. Wenn sie reich sind, betreiben sie Banken, wenn sie
arm sind, gehen sie hausieren, und dazwischen spielen sie Geige. Nach Bowmont
kommt mir keiner von diesen Leuten, solange es nach mir geht, das habe ich Quin
klipp und klar gesagt.»
Einer der Hunde gähnte mit
weitaufgerissenem Maul, sprang vom Sessel und machte es sich zu Frances
Somervilles Füßen bequem.
«Sicher, aber wenn es zum Krieg
kommen sollte, wird man uns natürlich Evakuierte aus London schicken», sagte
Ann Rothley. Sie sprach ganz sachlich, und keiner hätte geahnt, was diese Sachlichkeit
sie angesichts der Tatsache, daß ihr vergötterter ältester Sohn Rollo, der
gerade achtzehn war, kostete.
«Also, lieber nehme ich hier
Slumkinder auf als ausländische Flüchtlinge. Die könnte man ohne weiteres im
Bootshaus unterbringen, auf Matratzen, und ihnen das Essen hinübertragen
lassen. Aber diese Ausländer – die sind ja völlig distanzlos.»
Es blieb ein Weilchen still, während
die beiden Damen von ihrem Kaffee tranken. Ein auffrischender Wind bauschte die
Vorhänge.
Dann fragte Ann Rothley: «Hat er
eigentlich noch einmal etwas von – du weiß schon – vom Trust gesagt?» Das
Zögern der sonst so direkten Ann Rothley zeigte das Maß ihres Unbehagens.
«Ich habe ihn, wie du weißt, seit
Monaten nicht gesehen – er war ja in Indien –, aber Turton sagte mir, es habe
jemand vom Hauptbüro des Trust angerufen und gesagt, Quin hätte darum gebeten,
daß sie später im Jahr einen ihrer Leute hierher schicken. Ich glaube, es ist
ihm ernst, Ann.»
«O Gott!» Würde denn der Schändung
niemals ein Ende sein? Ganze Güter wurden als Bauland verkauft, ganze Wälder
wurden gerodet, das Volk aus der Stadt flanierte gaffend durch die Häuser von
Freunden und Bekannten. «Gibt es denn gar keine Hoffnung, daß er sich endlich
seiner Pflicht bewußt wird und heiratet?»
Frances zuckte die Achseln. «Ich
weiß es nicht, Ann. Livy hat ihn vor seiner Abreise nach Indien im Theater
zweimal mit einer jungen Frau gesehen, aber sie hatte nicht den Eindruck, daß
es etwas Ernstes war.»
«Bei ihm ist es nie etwas Ernstes»,
stellte Ann Rothley erbittert fest. «Als heiratete man zum Vergnügen!» Sie
schwieg, als sie sich des Horrors ihrer Hochzeitsnacht mit Rothley erinnerte.
Aber sie hatte nicht geschrien, und sie war nicht davongelaufen; sie hatte es
über sich ergehen lassen, wie sie später seine wöchentlichen Besuche in ihrem
Schlafzimmer über sich ergehen ließ: Sie starrte zur Zimmerdecke hinauf und
dachte an ihre Stickerei oder ihre Hunde. Dafür waren jetzt Kinder da, und es
gab eine Zukunft. Niemand fällte die alten Eichen, der Park wurde regelmäßig
gepflegt. Weil Frauen wie sie die Zähne zusammenbissen. «Man heiratet für
England», sagte sie. «Für das Land.»
«Ja, ich weiß. Aber was können wir
denn noch tun?» sagte Frances müde. «Du weißt, wer alles versucht hat ...»
Sie brauchte den Satz nicht zu Ende
zu sprechen. Junge Mädchen aus bester Familie und jeglichen Temperaments waren
auf ihren Rassepferden durch die Tore von Bowmont galoppiert, mit ihren
Tennisschlägern in der Hand munter über die Rasenplätze gesprungen, hatten in
weißem Organdy und raschelndem Tüll Quin beim Tanz verführerisch zugelächelt
...
«Meinst du, er könnte sich für eine
Frau interessieren, die etwas von seiner Arbeit versteht?»
«Etwa für eine Studentin?» rief
Frances entsetzt.
«Nein – aber, ach, ich weiß nicht.
Er geht ja ganz in seiner Arbeit auf, nicht wahr?» Ann Rothley bemühte sich,
tolerant zu sein.»Ich kann mir allerdings nicht vorstellen, daß ein anständig
erzogenes junges Mädchen sich mit vermoderten alten Skeletten auskennt, darum
wird
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