Die Morgengabe
überhaupt nicht.»
«Ha!» sagte Frances nur.
Ihre Skepsis war berechtigt. Obwohl
Mr. Ferguson eine offizielle Meinung erst Quin in London mitteilen würde,
hatte er bereits durchblicken lassen, daß drei Meilen herrlicher Küste, ganz zu
schweigen von dem berühmten Garten, den Trust höchstwahrscheinlich sehr
interessieren würden.
Nun ist es also soweit, dachte
Frances unglücklich; nun kommen die Männer mit den Schirmmützen, die
Toilettenhäuschen, die kreischenden Ausflügler. Quin hatte gesagt, wenn es zu
Verhandlungen käme, werde er darauf bestehen, daß ihr ein lebenslanges
Wohnrecht im Haus eingeräumt würde; aber wenn er glaubte, sie würde ins stille
Kämmerlein eingesperrt mitansehen, wie dieses Haus und dieses Land, die sie
zwanzig Jahre lang wie ihren Augapfel gehütet hatte, zerstört wurden, dann
täuschte er sich. An dem Tag, an dem der Trust hier einzog, würde sie
ausziehen.
Wäre Lady Placketts Brief nicht
ausgerechnet gekommen, nachdem Mr. Ferguson sich gerade empfohlen hatte, dann
hätte Frances Somerville vielleicht ganz anders darauf reagiert. So aber
erreichte er sie in einem Moment, in dem sie sich so alt und verzagt fühlte wie
nie zuvor in ihrem Leben und bereit war, nach jedem Strohhalm zu greifen.
Lady Plackett begann ihr Schreiben
mit einem kurzen Rückblick auf ihre gemeinsame Zeit im Mädchenpensionat in
Paris.
«Sie werden sich vielleicht nicht
mehr an das schüchterne kleine Ding erinnern, das soviel jünger war als Sie»,
schrieb Lady Plakkett, die sich noch nie durch besonderes Taktgefühl
ausgezeichnet hatte, «aber ich werde nie vergessen, wie lieb und freundlich Sie
sich meiner in meiner Verwirrung und meinem Heimweh angenommen haben.»
Frances erinnerte sich weder des
heimwehkranken kleinen Mädchens noch ihrer eigenen Güte, aber als Lady
Plackett ihr offenbarte, daß sie eine geborene Croft-Ellis war und im selben
Jahr wie Miss Somervilles Cousine, Lydia Barchester, bei Hof vorgestellt worden
war, las sie mit jener Aufmerksamkeit weiter, die man den Briefen derer zollt,
die sich in den eigenen Gesellschaftskreisen bewegen.
«Ich war überaus erfreut
festzustellen, daß Ihr lieber Neffe unserem Lehrkörper angehört, und er hat
Ihnen vielleicht erzählt, daß Verena, unsere einzige Tochter, bei ihm
studiert. Sie ist begeistert von seinem Wissen und seiner Art, dieses Wissen zu
vermitteln, und bei einem kleinen Abendessen neulich führten die beiden ein
angesagtes Gespräch miteinander, das, wie ich leider gestehen muß, weit über
meinen Bildungsgrad hinausging. Sie werden sich fragen, woher ich die Kühnheit
nehme, Ihnen nach so vielen Jahren der Abwesenheit in Indien zu schreiben, und
ich will ganz offen sein. Sie wissen ja, daß Quinton in Bowmont für unsere
Studenten ein praktisches Übungsseminar eingerichtet hat, das er selbst leitet.
Verena muß als eine seiner Studentinnen, die dem Hochbegabtenprogramm
angehören, selbstverständlich an diesem Seminar teilnehmen, und sie freut sich
schon sehr darauf. Ihre Position hier in Thameside ist jedoch äußerst heikel,
wie Sie gewiß verstehen werden. Sie selbst besteht darauf, in allem, sei es
Prüfungen oder sonst etwas, genauso behandelt zu werden wie alle anderen
Studenten, und in dieser Hinsicht gibt es keinerlei Schwierigkeiten, denn sie
ist ein intelligentes junges Mädchen.
Aber gesellschaftlich gesehen, führt
sie natürlich ein ganz anderes Leben, und wir achten sehr darauf, bei ihren
Kommilitonen gar nicht erst die Erwartung zu wecken, daß sie an Universitätsveranstaltungen
teilnehmen wird. Wenn es nicht eine gewisse Trennung zwischen dem Vizekanzler
und seiner Familie und dem Rest der Universitätsgemeinde
gäbe, würden Autorität und Stabilität leiden. Das brauche ich Ihnen wohl nicht
zu erläutern. Sie werden verstehen, daß mich unter diesen Umständen bei der
Vorstellung, daß Verena sich mit den anderen Studenten einen Schlafsaal teilen
soll, eine gewisse Besorgnis ergreift. Es soll ja auf diesen Exkursionen recht < ungezwungen > zugehen, und auf Disziplin wird offenbar nicht viel Wert
gelegt. Ich weiß natürlich, daß die Studenten das Salz der Erde sind, aber
einige von ihnen kommen nun einmal aus Kreisen, in denen man den Umgang mit
Angehörigen unserer Gesellschaftsschicht nicht gewöhnt ist, und ich fürchte,
sie würden sich in einem so dichten Zusammenleben mit Verena unbehaglich
fühlen. Wäre es angesichts dieser Tatsachen dreist von mir zu fragen, ob meine
Tochter für die Dauer
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