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Die Morgengabe

Die Morgengabe

Titel: Die Morgengabe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eva Ibbotson
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besser, die Gelder für englische Studenten zurückzuhalten,
die wirklich in Not sind.»
    «Hm, ja, da hast du nicht ganz
unrecht», meinte Sir Desmond. «Es wäre natürlich sehr peinlich, wenn es Gerede
gäbe, zumal das Mädchen sowieso schon genug Aufmerksamkeit erregt hat.»
    «Und nicht auf die vorteilhafteste
Art», fügte Lady Plackett hinzu.
    «Was gibt's?» fragte Quin, der gerade aus dem
Museum zurückgekehrt war und noch an einem Artikel für eine Zeitschrift
arbeiten wollte.
    «Dieser Plackett, dieses Ekel!»
Roger Felton sah aus, als würde er gleich explodieren. «Er hat den Härtefonds
blockiert – wir können kein Geld daraus nehmen, um Ruth die Fahrt nach Bowmont
zu ermöglichen. Er möchte auf keinen Fall einen Präzedenzfall schaffen, der
den Studenten Anlaß gäbe zu glauben, sie könnten auf Kosten der Universität auf
Reisen gehen!»
    «Aha! Da steckt wahrscheinlich Lady
Plackett dahinter. Sie kann Ruth nicht leiden.» Quin merkte zu seiner eigenen
Überraschung, daß er sehr zornig war. Er selber hätte gesagt, daß er Ruth in
Bowmont gar nicht haben wollte. Die «unsichtbare» Ruth war hier in Thameside
schon schlimm genug– in Bowmont hätte er das nicht ausgehalten; aber die
Kleinlichkeit des neuen Regimes war schwer zu akzeptieren.
    «Möchte Ruth denn mit auf die
Exkursion?» fragte er. «Ist nicht jeden Tag mit Heinis Ankunft zu rechnen?»
    «Nein, sie erwartet ihn erst Anfang
November. Bis dahin sind wir zurück», antwortete Roger. «Sie würde gern
mitfahren, das weiß ich, auch wenn sie so tut, als läge ihr nichts daran.»
    «Sie und Elke möchten sie unbedingt
dabeihaben, nicht wahr? Weil Sie glauben, daß sie profitieren wird?»
    «Ja, klar – verdammt noch mal, Sie
leiten das Seminar, Sie wissen, daß es das beste seiner Art im ganzen Land ist.
Aber ich wollte ihr die Küste zeigen. Ich schulde ihr ...» Roger zuckte die
Achseln. «Ich weiß, Sie finden, wir verwöhnen sie, Elke, Humphrey und ich, aber
sie gibt alles zurück und ...»
    «Was gibt sie zurück?»
    Roger schüttelte den Kopf. «Ach, das
ist schwer zu erklären. Man bereitet eine praktische Übung vor – Himmel noch
mal, Sie wissen doch selbst, wie das ist. Man treibt sich die halbe Nacht hier
herum und versucht, anständiges Material zu finden, und dann kriegt der
Techniker die Grippe, und es sind nicht genug Petrischalen da ... Aber am
nächsten Morgen steht sie da und schaut durch das Mikroskop, als wäre das der allererste
Wasserfloh überhaupt, und plötzlich erinnert man sich, worum es einem einmal
ging – warum man sich mit diesen Dingen überhaupt beschäftigt hat. Wenn ihre
Arbeit schlampig wäre, dann wäre es etwas anderes. Aber sie ist nicht
schlampig. Sie hat eine bessere Bewertung verdient, als Sie ihr für ihre letzte
Arbeit gegeben haben.»
    «Ich habe ihr zweiundachtzig
gegeben.»
    «Ja. Und Verena Plackett
vierundachtzig. Aber mich geht das ja nichts an. Leider ist es wohl nicht zu
ändern, zumal Sie sich so krampfhaft bemühen, sie nur ja nicht zu bevorzugen.
Nur weil sie mal auf Ihrem Schoß gesessen hat, als sie noch Windeln trug.»
    «Ich tue nichts dergleichen, aber
Sie müssen einsehen, daß ich mich da nicht einmischen kann – das würde Ruth nur
schaden.» Und als sein Stellvertreter sich nicht von der Stelle rührte, sondern
ihn weiterhin unglücklich ansah, fügte er hinzu: «Wie geht's zu Hause? Was
macht Lilian?»
    Roger seufzte. «Von einem Kind immer
noch keine Spur. Und adoptieren will sie nicht. Hätte ich nur damals Humphrey
nicht zum Abendessen eingeladen.» Dr. Fitzsimmons hatte es nur gut gemeint, als
er Rogers Frau auf den Temperaturabfall hinwies, den jede Frau unmittelbar vor
ihren fruchtbaren Tagen erwarten konnte, aber er brauchte nicht mitanzusehen,
wie Lilian tagtäglich mit ihrem Thermometer bewehrt aus dem Bad kam und ihm bis
zur kritischen Zeit seine ehelichen Rechte verweigerte. «Ich bin froh, wenn ich
eine Zeitlang wegkomme, das kann ich Ihnen sagen.»
    Ruth war über den Beschluß des Finanzausschusses nicht enttäuscht,
weil sie von Roger Feltons Bemühungen für sie nichts wußte. Aber wenn sie auch
an ihrem Entschluß festhielt, an der Exkursion nicht teilzunehmen, so
beteiligte sie sich doch mit viel Spaß an den Mutmaßungen über das Nachtzeug,
das Verena Plackett mit auf die Reise nehmen würde.
    Denn Verena fuhr selbstverständlich
mit nach Northumberland, und die Frage, was sie im Schlafsaal über dem
Bootshaus zur Nacht anziehen würde, interessierte

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