Die Moselreise - Roman eines Kindes
überall, wie bei der Schleuse, als das Schleusentor runter ging und das Wasser herein strömte. Die Leute im Campinghaus haben sehr leise gesprochen, und es sind immer mehr Campingleute in das Campinghaus gekommen. Die Campingleute haben nichts gegessen oder getrunken, Papa und ich waren die Einzigen, die etwas gegessen und getrunken haben. Dafür haben dann aber viele Männer geraucht, und nach einer Weile, als sehr viele Campingleute im Campinghaus waren, haben so viele Männer geraucht, dass wir in lauter Rauchwolken saßen.
Ich las also »Der Knabe im Brunnen«, und ich versuchte, das Buch zu verstehen. Das war aber nicht einfach, weil die Leute in dem Buch ganz anders sprechen als in anderen Büchern. Ich habe Papa die Stellen gezeigt, wo die Leute anders sprechen, und Papa hat gesagt, die Leute im Buch von Stefan Andres sprächen moselländischen Dialekt und damit so, wie die meisten Leute hier eben sprächen. Papa hat mir einige Stellen im moselländischen Dialekt vorgelesen, das haben die Leute im Campinghaus auch gehört, und dann sind einige zu uns gekommen und haben uns gefragt, was das denn für ein Buch sei. Die meisten Leute kannten das Buch nicht, aber sie haben dann mit uns hinein geschaut,
und einer von ihnen hat gesagt, er werde die Stellen im moselländischen Dialekt jetzt mal richtig vorlesen. Er hat sie dann auch laut vorgelesen, und die anderen Leute haben zugehört und immer wieder gelacht, obwohl die Stellen nicht komisch waren. Ich habe den moselländischen Dialekt ziemlich gut verstanden, es war gar nicht so schwer. Und als ich dann wieder allein in dem Buch gelesen habe, habe ich die Stellen im moselländischen Dialekt so gehört, wie sie der Mann vorgelesen hatte.
Der Knabe im Brunnen
Das Buch ist keine richtige Geschichte, sondern eine Lebensbeschreibung. Es gibt in dem Buch also sehr wenig, was richtig spannend ist, dafür aber sehr viel, an das sich der Junge, von dem die Geschichte handelt, erinnert. Der Junge erinnert sich nämlich einfach an alles: Wie er in seinem kleinen Bett gelegen hat, was er seine Geschwister und seinen Vater alles gefragt hat, wo er gewohnt hat. Der Junge hat in einer richtigen Mühle gewohnt, und sein Vater hat ihm erklärt, wie die Mühle arbeitet. Ich glaube, der Junge hat seinen Vater sehr gemocht, denn er erzählt sehr viel von seinem Vater. Der Vater des Jungen war auch ein guter Erklärer (so wie Papa).
Als ich eine Weile in dem Buch gelesen hatte, kam der Mann, der die Stellen im moselländischen Dialekt laut vorgelesen hatte, wieder an unseren Tisch und sagte ganz erstaunt, dass ich sehr seltsam lesen würde. »Wieso seltsam?«, hat Papa ihn gefragt, und da hat der Mann gesagt, dass ich die Seiten sehr schnell umblättern würde. Da hat Papa gelacht und gesagt, dass ich wirklich ein sehr schneller Leser
sei und dass ich ein solches Buch in zwei Tagen lesen würde, wenn ich etwas Zeit zum Lesen habe. Da hat der Mann mir das Buch aus den Händen genommen und laut gerufen, dass die anderen einmal herhören sollten. Und dann hat er gerufen, dass ich ein so dickes Buch in zwei Tagen lesen würde. Die anderen Leute haben mich alle angestarrt, und dann hat ein anderer Mann das Buch in die Hände genommen und nachgeschaut und gesagt, das Buch habe über dreihundert Seiten. »Dreihundert Seiten liest Du in zwei Tagen?«, hat er mich gefragt, und ich habe »ja, das geht schon« gesagt. Da hat ein anderer Mann gesagt, dass ich einmal »ein gelehrtes Haus« werden würde, doch Papa hat »neinnein« gesagt, ich würde kein »gelehrtes Haus«, sondern ein Klavierspieler. Da waren alle noch mehr erstaunt und haben wieder »allerhand« gesagt, ganz oft, »allerhand allerhand«.
Allerhand
Allerhand ist ein blödes Wort. Ich weiß gar nicht genau, was es bedeutet. Papa sagt, es bedeute soviel wie »Donnerwetter«. Ich finde »Donnerwetter« viel schöner als »allerhand«. Wieso aber sagt man eigentlich »Donnerwetter«, wenn man sagen will, dass man etwas zum Staunen findet? Und wieso sagt man »allerhand«? Papa wusste es auch nicht genau, aber er hat gesagt, dass wir so etwas in Trier herausbekommen würden. In Trier gebe es nämlich große Buchhandlungen, und da würden wir hinein gehen und in einem Buch nachschlagen, warum die Menschen »allerhand« und »Donnerwetter« sagen würden, wenn sie etwas zum Staunen finden.
Weil ich wusste, dass Trier der letzte Ort und das Ziel unserer Moselreise sein würde, fragte ich Papa, wann wir in Trier ankommen
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