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Die Moselreise - Roman eines Kindes

Titel: Die Moselreise - Roman eines Kindes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hanns-Josef Ortheil
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Rädern weiter Richtung Traben-Trarbach gefahren, und die Luft war so gut, dass Papa mehrmals gerufen hat »riech mal, riech mal die gute Luft!« Die gute Luft war noch kühl, und sie hat sehr stark nach feuchter Erde und Wasser und modrigen Blättern gerochen. So sind wir langsam nach Traben-Trarbach gekommen, und als wir ankamen, habe ich gleich gesehen, dass auch Traben-Trarbach ein Ort war, der aus zwei Orten besteht. Traben-Trarbach besteht nämlich aus Traben auf der einen Moselseite und Trarbach auf der anderen Moselseite. Zwischen den beiden Orten gibt es eine richtige Brücke, und oberhalb von Trarbach gibt es eine alte Burg. Papa sagte, dass wir nicht in Trarbach, sondern in Traben wohnen würden, und zwar wieder in einem »Privatquartier«. Wir haben das »Privatquartier« bei der Familie U. dann auch schnell gefunden, und dann haben wir unsere Sachen ausgepackt, und Papa hat sich etwas ausgeruht. Ich aber habe draußen, auf einer kleinen Schaukel, vor dem Haus der Familie U. gesessen und weiter in »Der Knabe im Brunnen« gelesen.
    In den Brunnen schauen
    Stefan Andres erzählt, wie der Junge einmal in den Brunnen schaut und im Brunnen sein Spiegelbild sieht. Er versteht aber nicht, dass das Spiegelbild sein Spiegelbild ist, sondern er glaubt, das Spiegelbild sei wirklich da und ein anderer wirklicher Junge. Deshalb ruft der Junge dem Spiegelbild zu, dass es aus dem Brunnen herauf kommen solle. Das Spiegelbild aber antwortet immerzu »Kommen!«, als sei es wirklich da und als könne es sprechen. Natürlich kann das Spiegelbild nicht sprechen, denn das, was es scheinbar ruft, ist nur das
Echo, das der Junge hört. Da glaubt der Junge, dass der andere wirkliche Junge, der nur ein Spiegelbild ist, ihn rufe und ihm sagen wolle, er solle in den Brunnen kommen. Gerade noch rechtzeitig bemerkt der Junge dann aber, dass es gefährlich ist, in den Brunnen zu kommen. Und so nimmt er einen Stein und wirft ihn in den Brunnen. Da verschwindet der andere Junge, der nur ein Spiegelbild ist.
    Am Abend haben Papa und ich dann die Räder zum Bahnhof von Traben-Trarbach gebracht und beim Bahnhofsvorsteher abgegeben. Papa hat sich erkundigt, wie wir am nächsten Morgen rasch nach Bernkastel-Kues kommen könnten. Da hat ihm der Bahnhofsvorsteher die Abfahrtszeiten der Omnibusse genannt, die von Traben-Trarbach nach Bernkastel-Kues fahren. Papa hat sich das alles in seinem Notizbuch notiert, und dann sind wir noch etwas an der Mosel entlang spazieren und über die Brücke gegangen. An den Moselufern von Traben-Trarbach gibt es besonders schöne, sehr alte Häuser, die hat Papa mir gezeigt, und schließlich sind wir in ein Weinhaus gegangen und haben zu Abend gegessen. Papa hat eine »Winzerplatte« mit vielen verschiedenen Wurstsorten und Gurken gegessen, und ich habe ein Käsebrot mit vielen Tomaten gegessen.
    Postkarte 15
    Liebe Mama, heute kann ich Dir nur eine Postkarte schreiben und nicht mehrere wie sonst. Das kommt daher, dass es heute so stark gewittert hat und Papa und ich während des ganzen Gewitters in einem Campinghaus gesessen haben, in dem es keine Postkarten gab. Jetzt sitzen wir in Traben-Trarbach und essen zu Abend, und Papa trinkt ein Glas »Kröver Nacktarsch«.
Morgen fahren wir zum großen Mann von Kues. Herzlich grüßt Dich Dein Bub
    Als wir in unser »Privatquartier« gingen, hat mir Papa noch die Geschichte von den Weinlagen »Kröver Nacktarsch« und »Zeller Schwarze Katz« erzählt. Im »Privatquartier« der Familie U. hat sich Papa noch etwas mit Herrn U. unterhalten, und ich habe rasch noch die beiden Geschichten notiert, die Papa mit erzählt hatte.
    Kröver Nacktarsch
    In einem Weinberg von Kröv durften die Helfer, die den Wein ernteten, einmal so viele Trauben mit nach Hause nehmen, wie sie ernten konnten. Da gab ihnen der Besitzer des Weinbergs vor der Ernte etwas zu essen, von dem sie Durchfall bekamen. Wegen des Durchfalls konnten sie also keine Trauben ernten, die sie hätten mit nach Hause nehmen können. Das ärgerte einen der Helfer aber so, dass er seine Hosen auszog und Trauben erntete, während sein Durchfall zwischen die Rebstöcke spritzte.
     
    Zeller Schwarze Katz
    Drei Weinhändler waren einmal in Zell und saßen in einem Weinkeller und konnten sich nicht entscheiden, welches Weinfass sie kaufen sollten. Da setzte sich eine schwarze Katze auf eines der Fässer und fauchte und fauchte. Da wussten die Weinhändler, welches der beste Wein war, denn die schwarze Katze hatte sich

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