Die Moulokin-Mission: Science Fiction-Roman
verzichtete darauf, nach unten zu blicken. Das letzte, was er sich jetzt wünschte, war eine gleichmäßige Brise, die ihn herumwehte, während er wie eine Fliege eine Wand hinaufkroch.
Aber der Wind sollte sich als Verbündeter erweisen. Er blies ihm gleichmäßig gegen den Rücken und drückte ihn förmlich gegen die Klippe. Im übrigen war der Turm auch gar nicht so glatt und steil, wie das in der Dunkelheit den Anschein gehabt hatte. Es gab genügend Sprünge und Schrunden, in denen sich eine menschliche Hand oder ein Fuß festklammern konnten. Sie kamen schnell voran.
Auf halbem Wege in der Granitwand wartete Ethan, während September eine Stelle suchte, an der er sich festhalten konnte. Während er Luft holte und den Hintern des Riesen anstarrte, kam ihm plötzlich der Gedanke, was ein einigermaßen erfolgreicher Handelsvertreter eigentlich auf dieser gefrorenen und unwirtlichen Welt zu suchen hatte, und wie er dazu kam, sich wie ein Sack Fleisch an kaltes Felsgestein zu kleben und zu versuchen, eine wortgewandte Prinzessin zu befreien, die mehr Bär als Mensch war. Vielleicht hatte Hunnar doch recht gehabt, als er ihr Vorhaben als Wahnsinn bezeichnet hatte.
Jetzt bewegte September sich wieder. Keuchend wie eine alte Dampfmaschine folgte Ethan ihm nach. Es hatte den Anschein, als dehnte sich die Klippe, wurde mit jedem schmerzhaften Schritt, der sie weiter nach oben führte, länger statt kürzer. Einmal blickte er in die Tiefe. Dunkle Flecken auf dem Eis ließen die wartenden Tran erkennen. Er hielt den Atem an und zwang sich, wieder himmelwärts zu blicken.
Jetzt zog er sich auf den nächsten Felssims, lag ein paar Minuten dort, bis er bemerkte, daß er neben Septembers hünenhafter Gestalt lag und daß der andere ihm durch Handbewegungen andeutete, er solle sich ruhig verhalten.
Vor sich sah er rechteckig behauene, sorgfältig aneinandergefügte Steinquader.
Der Felssims war zwei Meter breit, ebenso weit war die Mauer der Festung vom Rand des Felsturmes entfernt. Als er nach oben blickte, sah er, daß die Festungsmauern, ihrer bescheidenen Größe angemessen, nicht sonderlich hoch waren. Dafür gab es auch keinen Anlaß. Tran wären niemals auf die Idee gekommen, sie von dieser, der Steilflanke aus, ernsthaft anzugreifen.
Ethan preßte sich dicht an den Boden, zog sich bis an den Rand und spähte wieder hinunter. Jetzt war nur noch nacktes Eis zu sehen, und das bedeutete, daß die Tran sich entfernt hatten, zu der Felstreppe an der windgeschützten Seite gegangen waren. Ihrem Plan gemäß würden sie dort warten, bis Ethan und September ihnen den Weg freigemacht hatten.
Die beiden Männer schoben sich an den Mauersockel heran und begannen, dicht an das Mauerwerk gepreßt um die Felsspitze herumzukriechen. Die Wand war fünf Meter hoch und der Abgrund ein gutes Stück tiefer.
Ethan überdachte ihre Chancen. Die Feinde würden immer noch mit ihren Wunden beschäftigt sein. Einen organisierten Angriff auf ihre Festung erwarteten sie vermutlich so kurz nach ihrer eigenen Attacke nicht. Schließlich hatten sie ja, soweit sie das wußten, nur einen Gefangenen genommen, und das lohnte doch kaum einen selbstmörderischen Angriff, oder? Vermutlich waren sie müde, weil sie mit Höchstgeschwindigkeit zu ihrem Stützpunkt zurückchivaniert und anschließend über die Treppe nach oben geklettert waren. Geklettert mußten sie sein, das wußte Ethan. Es war unmöglich, einen Eispfad in so steilem Winkel nach oben zu führen. Und die Kletterpartie war für sie langsam und anstrengend gewesen. Und aus eben demselben Grunde würde dieser Weg auch mögliche Angreifer entmutigen. Und Menschen, die wesentlich beweglicher waren, würden sie nicht ins Kalkül ziehen.
»Wir werden, soweit möglich, mit den Messern arbeiten, Junge, mit Strahlern nur, wenn es sein muß.« Und sobald sie die Wachen beseitigt hatten, die den Weg zum Eis hinunter bewachten, würden sie Hunnar und seinen Leuten ein Zeichen geben und dann die Treppe verteidigen, falls man versuchte, sie zurückzuschlagen.
So zumindest war ihr Plan.
Nach fünf weiteren Minuten des Kriechens erreichten sie die windgeschützte Seite der Festung. Dort sahen sie, daß das vermutlich der höchste Punkt der Treppe war.
Auf dieser Seite war der Felsturm einige Meter niedriger. Ethan entfernte sich etwas von der Mauer und konnte Stufen erkennen, die man mühsam in das nackte Felsgestein geschlagen hatte und die nach unten in die Finsternis verliefen. Er kroch an den
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