Die Moulokin-Mission: Science Fiction-Roman
folgenden Morgen, als der Eissegler die Klippen der Insel Arsudun weit hinter sich gelassen hatte und die grelle Sonne am Himmel nur freies Eis hinter ihnen zeigte.
Obwohl Ethan sich für die meisten Aspekte der Kultur von Tran-ky-ky interessierte, zog er es doch vor, während des Verhörs dem Bug möglichst fern zu bleiben. Der Wind verschluckte die meisten Schreie, die ihm nicht durch die bloße Entfernung erspart geblieben wären. Während er sich alle Mühe gab, jene schwachen, auf- und abschwellenden Schreie zu ignorieren, sah er sich außerstande, nicht an den Abgrund zu denken, der ihn von seinen Tranfreunden trennte. Dieser Abgrund würde nie verschwinden, obwohl er jederzeit sein Leben für das Hunnars gegeben hätte, ebenso wie dieser das auch für ihn getan hätte.
Vielleicht wäre Ethans Ur-Ur-Urgroßvater vor vielen Generationen eher dazu imstande gewesen und hätte an dem Verhör mit derselben grausamen Gleichgültigkeit wie Elfa, Balavere und die anderen teilgenommen. Solche barbarischen Akte waren in der Vergangenheit der Menschheit bis weit ins einundzwanzigste Jahrhundert alter Zeitrechnung hinein durchaus die Regel gewesen.
Bei weiterer Überlegung mußte er freilich einräumen, daß die Unterschiede zwischen der modernen Zivilisation des Commonwealth und der Feudalwelt der Tran in Wirklichkeit gar nicht so groß waren. Alles, was erstere von der letzteren unterschied, waren einige informelle Übereinkünfte, die man als Moral bezeichnete, und ein paar, die als Gesetze kodifiziert waren.
In seiner Gesellschaft gab es viele Bürger, die erste ignorierten und gleichzeitig versuchten, letztere zu pervertieren. Am besten, er erhob sich nicht zu hoch, damit die Heuchelei der gegenwärtigen Zivilisation ihn nicht zu tief fallen ließ. Wenigstens hatten die Methoden der Tran den Vorzug, direkt und einfach zu sein, wenn sie auch etwas blutig geraten waren. Ein besonders langgedehntes Heulen drang über das Deck an sein Ohr, und er sah sich außerstande, ein Schaudern zu unterdrücken.
Beunruhigt stieg er die Treppe zum Steuerdeck hinauf. Ta-hoding stand wie stets, als wäre er ein Teil seines geliebten Schiffes, dicht an dem mächtigen Steuerrad und starrte nach vorne. Gelegentlich rief er seinen Helfern ein Kommando zu, und dann bewegte sich das Rad, oder einer seiner Maate erhielt irgendwelche Instruktionen, die dann sofort in die Takelage hinaufwanderten, wo die Matrosen arbeiteten.
Er war der fetteste Tran, den Ethan je gesehen hatte, ein friedlicher, durch nichts aus der Ruhe zu bringender Bursche, der bei weitem nicht so blutdürstig war wie die gewöhnlichen Matrosen oder die Ritter und Junker.
»Was machen die mit ihm?«
»Du meinst den Gefangenen?« Ta-hoding wandte den Blick nicht vom Eise. »Die verhören ihn, Freund Ethan.«
Ein schwaches Zischen, wie Speck in einer Bratpfanne, übertönte den Wind, das war das Geräusch der mächtigen Kufen aus Duralum, die über das Eis glitten.
»Das weiß ich, aber – wie?«
Ta-hoding erweckte den Anschein, als würde er sich die Antwort sorgfältig zurechtlegen. »Ich weiß nicht, wie es bei Euren Leuten ist, oder bei den Leuten hier, aber in Wannome und den benachbarten Städten verläuft die Befragung eines Kriegsgefangenen nach dem üblichen Ritual.
Um seine Tapferkeit und die Stärke und Ehre seiner Familie unter Beweis zu stellen, wird der Gefangene beredt lügen oder sich weigern, überhaupt eine Antwort zu geben. Auf diese Weise fordert er seine Feinde heraus und zeigt ihnen, daß er sich für geschickter und mutiger als sie hält. Man befragt ihn mit zunehmender Intensität, bis er keinen Widerstand mehr leisten kann. Dann pflegt er die richtigen Antworten zu geben.
Die Zeit und die Mühe, die aufgewendet werden müssen, um einen Gefangenen zu diesen ehrlichen und korrekten Antworten zu zwingen, ist ein Maß für die Verdienste, die sich der Gefangene für das Leben nach dem Tode erwirbt.«
»Was geschieht, wenn es keine Fragen mehr gibt?«
Ta-hoding musterte ihn überrascht. »Dann wird der Gefangene natürlich getötet.«
»Aber das ist unmenschlich!« Eiskristalle prasselten gegen seine Gesichtsmaske. Ta-hoding wandte den Blick kurz von dem vor ihnen liegenden Ozean. »Wir behaupten ja nicht, menschlich zu sein, Freund Ethan. Wir sind Tran. Ich habe selbst gesehen, wie dein Schwert sich in der Schlacht von Wannome rot färbte. Sag mir, wie verschafft ihr euch denn Antworten von jemandem in eurer Kultur, der nicht bereit ist,
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