Die Mütter-Mafia
neue kaufen«, sagte ich.
»Tja, dann sauge ich wohl morgen weiter«, sagte Nelly.
»Nein«, sagte ich. Jetzt war ich einmal die harte Linie gefahren und wollte nicht sofort wieder aufgeben. »Du kannst jetzt schnell gehen und welche kaufen. Ohne Staubsauger sind wir völlig aufgeschmissen. Und bring bitte auch neue Joghurts mit.«
Ich wusste nicht, ob es an Mimis Anwesenheit lag oder an den giftigen Dämpfen des »Schimmel-Ex«, auf jeden Fall bekam Nelly auch dieses Mal keinen Kreischanfall. Etwas mürrisch dreinblickend machte sie sich mit meinem letzten Geld auf den Weg in den Supermarkt.
Vor lauter Verblüffung trank ich noch ein Glas Sekt. Was war nur mit dem Kind los?
»Trink nur, das entspannt«, meinte Mimi. »Ich habe noch eine zweite Flasche in deinen Kühlschrank gestellt. Und dann haben wir ja auch noch den Himbeergeist.«
»So tief werde ich nicht sinken«, versicherte ich und nippte an meinem Sekt. Der Alkohol entspannte mich wirklich. Ganz entspannt weichte ich ein lila-orange-beige-braun gekringeltesbodenlanges Polyesterwurstkleid mit Kapuze im Waschbecken in einer Lauge ein, denn »wenn es gewaschen und gebügelt ist, wird es ein Vermögen erzielen«, hatte Mimi gesagt.
Das Kleid war offensichtlich noch nie gewaschen worden, diese Art Kleidungsstück wusch man nicht, man hängte es lediglich zum Lüften nach draußen, damals in den Siebzigern. Es war klug von Mimi gewesen, auf Handwäsche zu bestehen, denn das Waschwasser färbte sich im Nu lila-braun. Ebenso meine Fingernägel. Ich hoffte sehr, dass das nicht von Dauer war.
Als ich das Kleid zum Trocknen über der Badewanne aufgehängt hatte, klingelte es. Vor der Tür stand eines der braun gelockten, rehäugigen Hobbitkinder aus »Der Herr der Ringe«.
»Wohnt hier der Julius?«, schrie es.
Herrje, das hatte ich jetzt davon, dass ich so früh am Tag schon Sekt getrunken hatte. Ich kniff die Augen zusammen und öffnete sie wieder. Das Hobbitkind stand immer noch da. Es trug allerdings einen grünen Anorak und Gummistiefel, das machte es ein bisschen weniger mystisch.
»Wohnt hier der Julius?«, schrie es wieder.
»Ja, der wohnt hier. Wer bist du denn?«, schrie ich zurück.
»Warum schreist du denn so?«, schrie das Kind. »Bist du der Kobold Schreck?«
»Nein, ich dachte, du hörst vielleicht schlecht«, sagte ich. Wer war der Kobold Schreck?
»Ich bin der Japser«, schrie der Junge. »Und ich möchte gerne mit dem Julius spielen.«
»Ach, du bist der Japser«, sagte ich und sah mich suchend nach seiner Mutter um. Vielleicht traute sie sich nicht näher und wartete auf dem Bürgersteig. Aber weit und breit war niemand zu entdecken. Nur ein kleines Fahrrad lehnte am Zaun. Das konnte aber unmöglich dem kleinen Japser hier gehören. Der konnte doch allenfalls Dreirad fahren, so klein wie der aussah. Und was war Japser überhaupt für ein Name? »Wo ist denn deine Mutter?«
»Die ist arbeiten«, schrie Japser. »Und mein Papa ist auch arbeiten. Kann ich reinkommen?«
»Ja ...« Den Blick immer noch über den Bordstein schweifen lassend, trat ich beiseite. »Sag mal, woher wusstest du denn, wo Julius wohnt?«
»Der Julius hat mir das gesagt, dass der in einem Haus wohnt«, schrie Japser. »Mit einem Zaun davor und einer Treppe. Und einer Garage. Ich habe einfach überall mit einem Zaun davor und einer Treppe und einer Garage geklingelt. Ein Hund hat mich beinahe gebissen. Und eine Frau hat mir Gummibärchen gegeben.«
»Und wo wohnst du?«
»Im Ameisenweg«, schrie Japser und stellte seine Stiefel ordentlich nebeneinander. »Da vorne um die Ecke. Es ist ein Haus mit einer Laterne.«
»Ach so. Und du bist ganz allein unterwegs?«
»Ja.«
»Mit dem Fahrrad?« »Ja.«
»Wie alt bist du nochmal?«
»So alt«, schrie Japser und hielt vier Finger hoch. »Und bald werde ich so alt.« Er nahm noch den Daumen dazu. »Kann ich jetzt endlich mit dem Julius spielen?«
Julius kam schon die Treppe heruntergehopst, angelockt von Japsers Gebrüll. Er strahlte seinen neuen Freund begeistert an. »Ich hatte schon Angst, dass du unser Haus nicht findest.«
»Ich finde alles, was ich will«, schrie Japser. »Willst du Gummibärchen?«
»Also, ich brauch noch einen Sekt«, sagte ich zu Mimi. »Hier in der Vorstadt werden die Kinder viel zu früh erwachsen.«
8. März
An alle: Mein Wurzel ist HÖCHSTWAHRSCHEINLICH eine Wurzeline, obwohl man das ja jetzt eigentlich noch gar nicht sagen kann, aber die Ärztin ist sich zu fünfzig
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