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Die Mütter-Mafia

Titel: Die Mütter-Mafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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vorne war.
    Nelly fand den Vorschlag wohl auch ziemlich anmaßend. »Mein Arm ist gebrochen«, sagte sie und hielt ihren Gips hoch. »Schon vergessen?«
    »Natürlich nicht«, sagte ich.
    »Natürlich nicht«, sagte auch Mimi. »Aber es ist der linke Arm. Mit rechts kannst du immer noch gut Staub saugen. Hier muss jetzt jeder mithelfen, weißt du, sonst wird das nie fertig.«
    Nelly war es nicht gewohnt, dass man ihr widersprach. Deshalb glotzte sie Mimi erstaunt an. Mimi schüttelte ungerührt ihre »Schimmel-Ex«-Flasche.
    »Ich habe Hunger«, sagte Nelly schließlich.
    »Es gibt Pizza«, sagte ich.
    Während ich meiner rappeldünnen, baumlangen Nelly dabei zusah, wie sie ein halbes Blech Pizza wegspachtelte und sich hinterher gleich die letzten drei Joghurts aus unserem Vorrat reinzog, kam ich ins Grübeln. Mimi hatte Recht: Hier musste jetzt wirklich jeder helfen, und warum sollte ein vierzehnjähriges Mädchen nicht auch mal Staub saugen?
    Der üble Geruch der Schimmellösung zog zu uns herüber. Nelly zog die Nase kraus. »Igitt. Ich fahr gleich zu Lara, bei der hat man wenigstens seine Ruhe.«
    »Nein, Nelly, du kannst jetzt nicht einfach gehen«, sagte ich, obwohl Verbote aller Arten hysterische Kreischanfälle zur Folge hatten und ich definitiv keine Lust auf einen Kreischanfall hatte.
    »Kann wohl niemand von mir verlangen, dass ich in diesem Saustall Hausaufgaben mache«, sagte Nelly, und ihre Unterlippe zitterte, wie immer, wenn sie kurz vor einem Kreischanfall stand.
    »Du kannst zu Lara gehen, wenn du gestaubsaugt hast«, sagte ich trotzdem. »Bitte, Schätzchen.«
    Nelly holte tief Luft. Gleich würde sie loskreischen. Dass sie gezwungensei, in diesem stinkenden Funkloch zu hausen und unter einem Abba-Poster zu nächtigen, und dass ihr Leben auch ohne Staubsauger ein einziger Albtraum sei und dass ich schuld war an dem ganzen Desaster, ich gemeine Rabenmutter ganz allein.
    »Na gut«, sagte Nelly. »Aber nur das Wohnzimmer, dann bin ich weg.«
    »Einverstanden«, sagte ich und versuchte, mir meine Verblüffung nicht anmerken zu lassen. Sicherheitshalber setzte ich ein knurriges »Ausnahmsweise« hinzu.
    Während Nelly saugte, nahmen Mimi und ich uns Omi Wilmas Kleiderschrank vor. Es war unglaublich, wie viel sich dort im Laufe der Jahrzehnte angesammelt hatte. Mimi machte zwei Haufen: Einen für die Altkleidersammlung, den anderen für »Ebay«. Ich glaubte es zwar nicht, aber Mimi versicherte mir, dass Omi Wilmas Pelzkappen, die Halbstiefel aus Kaninchenfell, sämtliche Schuhe und die uralten Handtaschen sensationelle Preise erzielen würden. Je weiter wir in die Tiefen des Kleiderschrankes vordrangen, umso enthusiastischer wurde Mimi.
    »Jetzt kommen wir tatsächlich noch zu den Siebzigern«, rief sie aus und hielt eine grausam gestreifte Bluse in die Höhe. Je älter die Kleidungsstücke waren, desto kleiner waren sie auch. In den Siebzigerjahren hatte Omi Wilma Größe 38 getragen. Die Bluse war so schmal geschnitten, dass sie vermutlich wie eine Wurstpelle an Omi Wilma geklebt hatte. »Ist die nicht großartig? Bei der werde ich nicht nur pro forma mitsteigern.«
    »Willst du sie nicht jetzt schon haben?« Ich hatte dem Siebzigerjahre-Revival nie viel abgewinnen können, vielleicht weil ich von meiner Mutter gezwungen wurde, in den Achtzigern die Siebzigerjahresachen meiner Cousine aufzutragen. Da musste ich nicht unbedingt noch ein Revival mitfeiern.
    Mimi freute sich geradezu unnatürlich.
    »Mama!«, schrie Nelly von unten. »Dieser verdammte Staubsauger ist kaputt! Ich sauge jetzt schon zum dritten Mal über dieselbe tote Fliege, aber sie klebt immer noch am Boden fest.«
    »Vielleicht ist der Staubsaugerbeutel voll?«, schlug ich vor. Unten herrschte Schweigen. Nelly hörte das Wort Staubsaugerbeutel wohl zum ersten Mal. Sie brauchte meine Hilfe, um den Staubsauger zu öffnen. Ich hatte Recht gehabt: Der Beutel war so voll, dass er fast platzte, als wir ihn aus dem Staubsauger hoben.
    »Das ist also ein Staubsaugerbeutel«, sagte Nelly beinahe feierlich.
    »So einen habe ich noch nie gesehen«, sagte Mimi.
    »Vielleicht sehen sie so aus, wenn sie an Altersschwäche sterben«, sagte ich. Ein Ersatzbeutel war nirgendwo zu finden, obwohl wir Omi Wilmas Putzkammer auf den Kopf stellten. Wir fanden nur einen leeren, vergilbten Karton mit der Aufschrift: »SM 12. Für mehr Hygiene im Haushalt.«
    »Sadomaso-Staubsaugerbeutel«, sagte Mimi. »Aber immerhin hygienisch.«
    »Tja, dann müssen wir wohl

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