Die Mütter-Mafia
die Kaffeemaschine hat definitiv ein schlimmes Lungenleiden. Hast du die mal gurgeln gehört?« Ich war süchtig nach Kaffee, ich brauchte morgens zwei Tassen, um überhaupt gerade stehen zu können, und noch einmal mindestens drei, um den Rest des Tages zu überleben. Zu Hause bei Lorenz hatten wir eine wunderbare, sündhaft teure Cappuccino-Maschine besessen, die die Bohnen für jede Tasse einzeln gemahlen und mit fünfzehn Bar in die Tasse gedrückt hatte, dazu aufgeschäumte Milch und einen Hauch von Zimt, hm ... göttlich. Die alte Gurgelmaschine von Omi Wilma hingegen konnte nur mit Pulverkaffee arbeiten. Ohne Druck. Und mit lauwarmem Wasser. Ich hatte schon überlegt, auf Tee umzusteigen.
»Jedenfalls sagt Papi, wir sollten dankbar sein über Omi Wilmas Marken-Hinterlassenschaften«, sagte Nelly. »Er sagt, er wäre jedenfalls froh, wenn er solch tolle Haushaltsgeräte hätte. Jeder wäre das.«
»Tja«, sagte ich. »Sag ihm, er kann sie demnächst bei >Ebay< ersteigern. Das ist überhaupt die Idee. Mimi? Meinst du, wir könnten diese Staubsaugerbeutel vielleicht noch bei >Ebay< bekommen?«
Mimi meinte das nicht. Sie wollte uns aber ihren Zweitstaubsauger leihen, bis wir einen neuen hätten.
»Ich habe eine bessere Idee«, sagte Nelly. »Wenn Papi doch so froh wäre, wenn er einen so tollen Staubsauger hätte, dann kann er ihn auch bekommen. Im Tausch gegen seinen alten. Könnte ich sofort erledigen. Ich brauch sowieso noch ein paar von meinen Sachen.«
Mimi lachte laut auf »Das ist eine wunderbare Idee.«
»Das Ding wiegt eine Tonne«, sagte ich und hickste unauffällig. Für meine Verhältnisse war ich ziemlich beschickert. »Du kannst damit unmöglich durch die halbe Stadt fahren. Außerdem wird es schon dunkel, und Papi ist gar nicht da, und die Wohnung ist vergiftet. Und du hast noch keine Hausaufgaben gemacht.«
Nelly wollte gerade widersprechen, als es klingelte. Ich fürchtete, es könne nochmal Frau Hempel junior sein, die fragen wollte, ob wir einen Kühlschrank besäßen. »Den müsste ich dann bitte mal leer essen«, würde sie sagen, und ich wäre natürlich zu feige, um sie daran zu hindern. Am Telefon hatte Frau Hempel junior eine Viertelstunde auf meine Kosten mit jemandem über Johannisbeerkuchen und Handarbeitskurse gesprochen, und nach dem Gespräch hatte sie die Sektgläser und die Flasche entdeckt und sich selbst zu einem Glas eingeladen.
»Haben Sie noch eine Flasche davon?«, hatte sie anschließend gefragt. Die müsste ich dann bitte mal leer trinken, haha.
Mimi und ich verneinten. Das war die letzte gewesen.
»Ein Bier tut es auch«, hatte Frau Hempel junior gesagt, sich dann aber freundlicherweise auch mit Omi Wilmas Himbeergeist zufrieden gegeben. Nach dem zweiten Glas hatte sie uns das Du angeboten. Wir waren beide zu feige gewesen, es abzulehnen.
»Also, Mimi und Constanze, hehe, also, meine Freundinnen nennen mich Gitti«, hatte sie gesagt und dabei sonor gekichert. »Also, wenn meine Eltern wüssten, dass ich mich mit dem Feind duze, die würden mich glatt enterben. Wo wir doch mit euch nur per Anwalt kommunizieren.«
»Sie sind schon ein bisschen Furcht einflößend«, sagte ich, und Mimi murmelte: »Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm.«
»In Wirklichkeit sind sie herzensgute Menschen, das würdet ihr auch sagen, wenn ihr sie besser kennen würdet«, behauptete Gitti. »Wenn ich meine Eltern nicht hätte, dann würden ich und Marie-Antoinette auf der Straße stehen, also, das würden wir dann.«
Ich fragte, ob Marie-Antoinettes Vater Franzose sei. Oder adelig. Oder beides.
Gitti machte ein geheimnisvolles Gesicht. »Also, das kann ich leider nicht verraten«, sagte sie. »Ich rede niemals über Marie-Antoinettes Vater.« Dafür redete sie aber umso mehr über Handarbeiten im Allgemeinen und Besonderen. Gitti war nämlich Lehrerin für textiles Gestalten, nur leider war sie arbeitslos, weil es in ihrem Jahrgang sozusagen eine Handarbeitslehrerinnenschwemme gegeben hatte. Aber sie gab Kurse am Familienbildungswerk und im Kindergarten, um sich und Marie-Antoinette zu ernähren. Nur kamen die meisten Kurse nicht zu Stande, weil die Leute in dieser Gegend noch nicht begriffen hatten, wie wichtig Handarbeiten für die Seele sein konnten. Und wenn die Kurse nicht zu Stande kamen, dann gab es auch kein Geld für Gitti, was wiederum bedeutete, dass sie weiterhin bei ihren Eltern wohnen bleiben musste, in ihrem alten Kinderzimmer. Ihre Eltern, obwohl herzensgut, fielen
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