Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Mütter-Mafia

Titel: Die Mütter-Mafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
Vom Netzwerk:
Max' riesige blaue Augen und dasselbe braune Wuschelhaar wie ihre Kinder hatte. Sie reichte mir gerade mal bis an die Schulter. Eine niedliche kleine mollige Hobbitfrau mit ihren Hobbitkindern. Ob sie wohl alle so behaarte Füße hatten?
    »Es ist heute später geworden«, sagte die Hobbitfrau. »Ein Notfall. Aber ich bin so schnell ich konnte nach Hause gekommen. Ich hab mich nicht mal umgezogen, tut mir Leid.« Sie zeigte auf ihren beschmutzten Kittel.
    »Sind Sie Ärztin?« Oder arbeiten Sie auf einem Schlachthof?
    »Ich bin Hebamme«, sagte die Frau und guckte auf meine lilabraunen Fingerkuppen. »Und Sie?«
    »Hausfrau«, sagte ich. Hebamme wäre definitiv kein Job für mich. Ständig hätte ich nur wackelige Knie und würde nach Luft japsen. So wie jetzt. Herrje, war mir schwindelig! Wie viel Alkohol vertrug ein Mensch eigentlich? Und warum roch es hier eigentlich so durchdringend nach Chemie?
    Ich öffnete das nächstbeste Fenster und machte einen tiefen Atemzug. Aaaaaaah, das tat gut. Weil ich die befremdeten Blicke der Hobbithebamme in meinem Rücken spürte, rief ich so laut ich konnte: »Nelly, Julius, Frodo, Japser! Essen ist fertig!«
    Niemand antwortete mir. »Haaaaaallloooo, Kinder!«, schrie ich. Das Echo warf meine Stimme vielfach zurück.
    »Keine Kinder nach achtzehn Uhr!«, schrie das Echo außerdem. Ich erkannte beinahe sofort die Stimme von Herrn Hempel. Schnell warf ich das Fenster wieder zu. Es war sowieso das falsche gewesen, ein Seitenfenster, das zu Hempels hinüberzeigte und zu Omi Wilmas verwaistem Komposthaufen.
    »Sie sind hinten«, sagte ich zu der Hebamme, die mich etwasverwundert anschaute. Verständlicherweise. Dabei wollte ich der Mutter von Julius' Freund unbedingt einen guten Eindruck hinterlassen. »Kommen Sie.« In Schlangenlinien schritt ich vor ihr her ins Esszimmer. Dort saß Mimi vor dem Berg Sandwichs und grinste einfältig vor sich hin. Die Flaschen mit dem Himbeergeist waren leider nicht zu übersehen, ebenso wenig wie das viele Mahagoni und die psychedelischen Muster der Vorhänge. Mir war klar, dass die arme Hebamme das Gefühl haben musste, in Sodom und Gomorrha gelandet zu sein. Wahrscheinlich würde ich ihre netten Kinder niemals wiedersehen. Schade. »Tach auch«, sagte Mimi.
    »Mimi, das ist die Mutter von Japser und Fro - äh Max und Mo ... äh dem kleinen Jasper«, sagte ich, in einem vergeblichen Versuch, die Konventionen zu wahren und die beiden Frauen einander vorzustellen, wie es sich gehörte. Diese Hebamme sollte mich nicht für die allerletzte Schlampe halten. »Und das ist meine Freundin Mimi. Den Nachnamen habe ich leider vergessen.« Mist. Das machte nun wirklich keinen guten Eindruck.
    »Ist Mimi eigentlich dein richtiger Name?«, fragte ich trotzdem.
    Mimi kicherte und streckte der Hebamme die Hand entgegen.
    »Eigentlich heiße ich Melanie«, sagte sie. »Aber Mimi gefallt mir besser.«
    Die Hebamme schüttelte die Hand kräftig. »Ich bin Anne«, sagte sie.
    »Na, und Anne, möchtest du was trinken?«, fragte Mimi. »Wasser zum Beispiel«, beeilte ich mich einzuwerfen. »Ja gerne«, sagte Anne und ließ sich auf einen Stuhl plumpsen.
    »Ich habe leider nur welches ohne Kohlensäure«, sagte ich. »Das macht nichts«, sagte Anne. Sie schien mir eine unkomplizierte Zeitgenossin zu sein.
    Ich schaffte es, in die Küche zurückzuwanken, um dort festzustellen, dass mein ohnehin sparsamer Vorrat an »Volvic« längst leer getrunken war. Egal. Ich füllte eine von Omi Wilmas Kristallkaraffen mit kaltem Leitungswasser, nahm ein paar Gläser aus dem Schrank und wankte zurück ins Esszimmer. Wasser aus der Karaffe, das hatte Stil. Mimi und Anne waren bereits in ein Gespräch vertieft.
    »Ach, man muss die Kinder laufen lassen«, sagte Anne. »Wenn man sie nur in Watte packt, lernen sie nie, sich in der Welt zurechtzufinden.«
    »Aber der Verkehr hier ist nicht ohne«, sagte Mimi. »Man hat uns schon zweimal eine Katze überfahren. Das kann mit Kindern doch genauso passieren, wenn man sie frei laufen lässt.«
    »Ja, aber, ob sie nun mit vier Jahren überfahren werden oder mit sieben, das macht doch auch keinen Unterschied«, sagte Anne. Als Mimi und ich nichts erwiderten, fuhr sie fort: »Und gerade diesen überbehüteten Kindern passiert immer das Schlimmste, oder nicht? Ich kenne ein Kind, das nie auch nur eine Sekunde aus den Augen gelassen wurde. Das hat sich einen Schädelbasisbruch zugezogen, als es im Kinderzimmer auf einen Stuhl geklettert

Weitere Kostenlose Bücher