Die Mütter-Mafia
hatte einen Kopf so rund wie eine Erbse und zwei Zöpfe, die wie kleine Pinsel hinter ihren Ohren abstanden. Fehlte noch der Schnurrbart, und sie wäre nur noch durch die Körpergröße von ihrer Mutter zu unterscheiden gewesen.
»Dieser Junge da hat mich eine böse alte Frau genannt«, quietschte Frau Hempel.
»Du bist ja auch eine böse alte Frau«, schrie Jasper. »Die ganze Zeit hast du uns angemeckert. Obwohl wir gar nichts getan haben.«
»Nur Busfahrer gespielt«, sagte Julius. »Ich war der böse Busfahrer, und Japser war der gute Busfahrer.«
»Da hören Sie es«, sagte Herr Hempel. »Das müssen wir uns doch nicht gefallen lassen.«
»Warum machen Sie denn nicht einfach das Fenster zu, wenn die Kinder Sie stören?«, fragte ich.
»Also, jetzt schlägt's aber dreizehn«, rief Herr Hempel aus. »Jetzt wollen Sie uns auch noch vorschreiben, wann und wie oft wir unser Fenster öffnen dürfen. Bei Ihnen piept's es wohl!«
»Verficktes Arschloch«, sagte Julius.
Hempels schnappten kollektiv nach Luft und sagten, ich würde von ihrem Anwalt hören. Gleich morgen. Ich sagte, das wäre mir sehr recht, da ich nächste Woche einen Termin bei meinem Anwalt hätte und der dann alles in einem Aufwasch erledigen könne.
Hempels knallten das Fenster zu.
Ich sagte zu Julius, dass ich nie, nie wieder so schlimme Worte aus seinem Mund hören wollte.
Julius wollte wissen, was denn an »Busfahrer« so schlimm sei.
»Du bist viel zu gutmütig«, sagte Mimi, als ich wieder hereinkam. Sie ritt immer noch auf dem Erwerb von Gittis Handarbeiten herum. Klugerweise hatte ich ihr nicht verraten, wie viel ich dafür hatte hinblättern müssen. Mimi war heute nämlich besonders schlecht gelaunt, weil ihr Schwangerschaftstest wieder einmal negativ ausgefallen war. »Du musst lernen, Nein zu sagen.«
»Das traue ich mich bei Gitti aber nicht«, sagte ich.
»Benimm dich doch mal wie eine erwachsene Frau«, sagte Mimi.
Aber als ich eine Stunde später vom Einkaufen zurückkam, war Mimi im Besitz eines Baumwollbeutels mit Entchenmotiv aus Kreuzstich.
Ich lachte schadenfroh. Ich konnte gar nicht mehr aufhören zu lachen.
»Ihre Unterlippe fängt an zu zittern, wenn man vorhat zu sagen, dass einem der Kram eigentlich überhaupt nicht gefallt«, sagte Mimi kleinlaut. »Ist dir das auch schon mal aufgefallen?«
»Oh ja«, sagte ich, während ich wieder in meinen Anstreicheroverall schlüpfte. (Zum Einkaufen hatte ich mich umgezogen, man konnte ja nie wissen, wem man dabei über den Weg lief.) »Mal ehrlich, was hast du dafür bezahlt?«
»Es ist echte Handarbeit«, sagte Mimi. »Made in Germany. Von einer studierten Fachkraft. Das ist schon seinen Preis wert.«
Ich machte mir vor Lachen beinahe in die Hosen. Wahrscheinlich hatte Mimi für ihren blöden Beutel mehr ausgegeben, als ich für all meinen Krempel zusammen.
Am Nachmittag kam Gitti wieder. Aber diesmal konnte ich mich vor einem Fehlkauf drücken, indem ich ihr den riesigen Beutel mit Wollresten in die Hand drückte, der in Julius' Zimmer zum Vorschein gekommen war, nachdem die Nähmaschine abgeholtworden war. Gitti war restlos entzückt von der Wolle, und ich war entzückt von dieser bequemen Art der Müllentsorgung.
*
Frauke hatte mich mittags überraschend zum nächsten Treffen der Mütter-Society eingeladen. Ich war vor Freude geradezu überwältigt gewesen.
»Toll, danke!«, sagte ich mehrmals.
»Es ist morgen Nachmittag bei mir zu Hause, mit Kindern. Ein Arbeitskaffeeklatsch, sozusagen. Du kannst auch deine große Tochter mitbringen. Sie und Laura-Kristin können sich dann miteinander beschäftigen«, sagte Frauke.
»Ja, ich frag sie«, sagte ich, aber mit wenig Hoffnung auf Erfolg. Nelly würde dankend ablehnen. Die Zeiten, in denen ich sie mit anderen Kindern hatte verkuppeln können, waren längst vorbei.
»Und keine Angst«, sagte Frauke.
Wovor sollte ich Angst haben? Ein Kaffeekränzchen mit Kindern konnte zwar ziemlich anstrengend sein, aber Angst einflößend war die Vorstellung ja nun auch wieder nicht. Oder etwa doch?
»Wir beißen nicht«, sagte Frauke. »Du musst dich auch gar nicht besonders vorbereiten, einfach nur du selbst sein.«
Jetzt verstand ich, warum ich Angst haben sollte. Herrje, das war kein Kaffeekränzchen, das war eine Prüfung! Ich war kein Prüfungsmensch, ich bekam weiche Knie, wenn ich mich nur an meine Abiturprüfungen erinnerte. Ich hatte so schlimm gestottert, dass meine Lehrerin mir auf den Rücken geklopft
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