Die Mütter-Mafia
Aber manche Männer sind einfach mit einer deutschen Frau überfordert. Die brauchen ein williges, biegsames Weibchen, das sie herumkommandieren können«, sagte Frauke und sah so unwillig, unbiegsam und deutsch aus, wie man nur aussehen konnte.
»Ekelhaft«, sagte Sabine. »Mir tut das Kind unheimlich Leid. So, jetzt ist es aber wirklich höchste Zeit.« Sie küsste Frauke noch einmal links und rechts auf die Wangen und stieg in einen anthrazitfarbenen »Ford Galaxy«.
Frauke bestieg ein baugleiches Modell in silbermetallic mit einem »Mamas Taxi«-Aufkleber. »Du, ich sag dir dann Bescheid wegen des Probenachmittags«, sagte sie zu mir.
»Das ist nett«, sagte ich abwesend. Die Enthüllungen über meinen Jaguarmann hatten mich zutiefst schockiert. So konnte man sich in einem Menschen täuschen.
*
An diesem Tag kam Nelly nicht von der Schule nach Hause. Ich wartete über eine Stunde mit dem Essen auf sie, dann rief ich sie auf dem Handy an.
»Ich bin bei Lara«, sagte sie. »Ich komme nicht mehr nach Hause.«
»Weil du mitten im Winter kein bauchfreies T-Shirt anziehen durftest?«
»Weil es einfach schrecklich ist, in Omi Wilmas Haus zu wohnen«, sagte Nelly. »Du hast uns das eingebrockt, aber ich muss das auslöffeln. Mache ich aber nicht. Ich habe nächste Woche Geburtstag. Denkst du, ich könnte auf dieser Horror-Baustelle eine Fete feiern?«
m Augenblick sah es besonders wüst aus, weil Ronnie mit einem Arbeitskollegen die Wand zwischen Küche und Esszimmer eingerissen hatte und Teile der Einbauküche im Flur standen.
»Wir könnten ja was anderes machen«, bot ich an. »Wir gehen mit deinen Freundinnen ins Kino und anschließend zu McDonald's.«
»Wir sind keine Babys mehr«, fauchte Nelly und legte einfach auf.
Ich biss mir auf die Lippen. Ich musste der Wahrheit ins Auge sehen: Ohne dass ich es richtig gemerkt hatte, war Nelly vom »Ich-finde-Pferde-gut-und-Jungs-doof«-Alter ins »Ich-trage-bauchfrei-und-meine-Hormone-spielen-verrückt«-Alter gerutscht. Ein idealer Geburtstag sah für sie jetzt wahrscheinlich so aus: schwach beleuchteter Raum, ohrenbetäubende Musik und verbotene Spiele, die was mit Küssen zu tun haben. Ich würde wahrscheinlich wieder schlaflose Nächte erleben, schlimmer als damals, als Nelly noch ein Säugling gewesen war. Genau das war auch das Thema des heutigen Elternabends in Nellys Schule. Die Pubertät und wie Eltern und Lehrer damit umgehen können. Prima, da konnte ich ja gleich mal fragen, was man denn machen musste, wenn das Kind beschlossen hatte, nicht mehr nach Hause zu kommen.
Ich rief noch einmal bei Nelly an. »Bitte komm nach Hause, Schätzchen. Dann reden wir über deine Geburtstagsfete und darüber, wie und wo wir sie am besten feiern können.«
»Ich komme nicht nach Hause. Nie mehr.«
»Bitte, Nelly.«
Aber Nelly ließ sich nicht erweichen. »Ich gehe zurück zu Papi.«
Da half nur noch eins. »Es gibt Cannelloni«, sagte ich. Nelly schwieg eine Weile. »Und zum Nachtisch?«, fragte sie dann.
*
Quasi über Nacht wurde ich eine reiche Frau. Auf meinem Konto war plötzlich jede Menge Geld.
Zweihundertvierundfünfzig Euro für einen Bowletopf mit der Inschrift »Liebe, Lied und Wein lindern Sorg' und Pein« und die dazugehörigen Becher.
Zweihundertneun Euro für die gesammelten Ausgaben von »Hörzu« seit 1978.
Insgesamt eintausendvierhundertzehn Euro und fünfzig für Klamotten, davon zweihundertdreizehn für das Kapuzenkleid.
Vierzig Euro fünfzig für eine Kiste Hardcover von »Reader's Digest«.
Vierhundertfünfundzwanzig Euro für Omi Wilmas Brautschuhe.
Zweihundert Euro für Omi Wilmas Brauthut samt Hutschachtel.
Vierhundertzweiundsiebzig Euro für sechs verbeulte Handtaschen.
Elf Euro für eine gebrauchte Nasendusche.
Sechshundertvierzehn Euro fünfzig für die versenkbare Nähmaschine und die Schneiderpuppe.
Vierundsiebzig Euro für die Aschenbechersammlung mit den schönsten Grüßen aus Bad Wildbad, Bad Mergentheim, Bad Essen und vierzehn anderen Kurorten in Deutschland, die meine Schwiegermutter im Laufe der Jahre wegen ihrer Arthrose aufgesucht hatte.
Zweitausendfünfzehn Euro für die Ledersofas.
Zweiundfünfzig Euro fünfzig für ein Abba-Poster mit Reißzwecklöchern.
Siebzehn Euro für einen Klorollenhut mit original Siebzigerjahre-Klopapierrolle.
Siebenhundertzweiunddreißig Euro für den fiesen Mahagoni-Schrank mit Barfach und Magnetschnapp-Verschlüssen aus dem Esszimmer.
Ein Euro für eine
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