Die Mütter-Mafia
Kinder waren zu laut. Die beiden Mädchen präsentierten einander verschwörerisch kichernd einen Gegenstand aus ihrer Kindergartentasche, der wie ein Barbiepuppenbein aussah. Instinktiv spürte ich, dass es sich hier um die Gliedmaßen der California Girl Barbie handelte, die am schwarzen Brett von einer gewissen Melisande vermisst wurde.
»Dass ßade iß der Mama«, sagte Marlon.
»Lern erst mal richtig sprechen«, sagte das andere Mädchen.
»Vafitteß Aßloß«, sagte Marlon.
»Marlon, lass das«, sagte Flavia. »Wibeke ist meine Freundin.«
»Dein Bruder spricht wie ein Affe«, sagte Wibeke. Was, um Himmels willen, war das für ein Name? »Bist du behindert, Marlon? Ja? Dein Bruder ist behindert, Flavia.«
Aber das wollte Flavia nicht auf ihrem Bruder sitzen lassen.
»Ist er nicht. Sag mal ssssss und kkkk und chchchch«, sagte sie zu Marlon. »Versuch's mal ganz langsam: Ver - fick - tes Arschloch!«
»Vafickteß Aßloch«, sagte Marlon.
»Schon viel besser«, lobte Flavia. »Noch einmal: Ver - fick -tes A ...«
»Flavia!«, schrie Frauke.
»Aber Mama, ich wollte doch nur ...«
»Ab mit dir in den Gruppenraum. Wir beide sprechen uns heute Mittag wieder!«
»Ich will aber nicht wieder zu Oma und Opa!« Flavia hatte Tränen in den Augen, als ihre Freundin Wibeke sie mit sich in den Gruppenraum zog. Die beiden Barbiebeine ragten makabererweise rechts und links aus ihrer Hosentasche.
»Mädchen!«, sagte Frauke und verdrehte die Augen.
Julius zupfte mich am Ärmel.
»Ja, Schatz?« Hoffentlich fragte er jetzt nicht, was ein verficktes Arschloch eigentlich war.
»Wenn ich ein Mädchen wäre, hättest du mich dann auch lieb?«, flüsterte er.
»Natürlich, mein Schatz«, flüsterte ich zurück. Jedenfalls bis er anfangen würde, bauchfreie T-Shirts zu tragen. Julius trollte sich erleichtert in den Gruppenraum, wo Jasper schon ungeduldig auf ihn wartete.
Auf dem Weg nach draußen stellte Frauke mich Wibekes Mutter vor. »Das ist übrigens die allein Erziehende«, sagte sie. »Constanze Wischnewski. Constanze, das ist Sabine Ziegenweidt-Sülzermann, Mami von Karsta und Wibeke, stellvertretende Obermami der Mütter-Society, Chefredakteurin der Kindergartengazette und außerdem eine richtige Vollzeit-Karrierefrau.«
»Eine Vollzeit-Karrierefrau, die pünktlich zum Meeting kommen muss«, sagte Sabine und schaute auf ihre Armbanduhr. »Hoffentlich bleibe ich nicht im Stau stecken!«
»Constanze ist an einer Mitgliedschaft in der Mütter-Society interessiert«, sagte Frauke.
»Das sind viele«, sagte Sabine. »Hat Frauke dir gesagt, dass unsere Warteliste ellenlang ist?«
»Ja, das hat sie«, sagte ich. Ich zerbrach mir den Kopf darüber, was ich sagen könnte, um mich als unentbehrliches Mitglied anzupreisen. Bei uns zu Hause ist das Playmobil nach Farben sortiert. Keiner kann so gut Barbiekleider nähen wie ich. Ich kenne Rezepte fiir Brokkoli, die das Gemüse sogar für Kinder attraktiv machen. Dafür habe ich unglaublich geschlampt, als es darum ging, meine Kinder ein Instrument lernen zu lassen oder eine Fremdsprache oder eine ausgefallene Sportart. Nicht mal einen Schutzengel habe ich bisher mit den beiden gefilzt. Bitte nehmt mich auf: Ich muss einfach eine Chance bekommen, meine Versäumnisse aufzuholen.
Der Jaguar war längst vom Parkplatz verschwunden, als wir herauskamen.
»Wer ist das eigentlich?«, fragte ich.
»Wen meinst du?«, fragte Frauke zurück.
»Der Mann vorhin. Der mit dem kleinen asiatischen Mädchen und dem Jaguar.«
»Ach der«, sagte Frauke. »Das stinkreiche Muttersöhnchen mit Angeberschlitten und Profilneurose! Er ist der Sohn von Sabines Chef schwimmt in Geld, hält sich mindestens für George Clooney. Spendet ein Heidengeld für den Kindergarten, engagiert sich aber null bei Gemeinschaftsaktionen.«
»Solche Typen glauben, dass sie sich alles für Geld kaufen können«, sagte Sabine. »Der hat sich eine Thailänderin aus dem Urlaub mitgebracht. Die sollte ihm hier Erben schenken.«
»Aber weil es immer nur Mädchen geworden sind, hat er sie zurück in das Loch geschickt, aus dem sie gekrochen ist«, sagte Frauke. »Und die andere Tochter gleich mit.«
»Die Kleine hat er behalten«, sagte Sabine. »Wer weiß, was er mit der noch vorhat.«
Ich war entsetzt. »Aber er sieht gar nicht so aus, als ob er es nötig hätte, sich eine Frau in Fernost zu kaufen«, sagte ich. »Wenn er auch noch so reich ist, rennen ihm die Frauen hier doch sicher die Bude ein.«
»Klar.
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