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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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die riesigen Hallen. Ein Orchester spielte in einer davon Wie-ner Musik. In der Bar spielte ein junger amerikanischer Pianist Ragtime. Die verzierten Messingfahrstühle direkt neben der gewundenen Treppe schienen unablässig in Bewegung zu sein.
    Hätte sich dieses Hotel an einem anderen Ort befunden, hätte es Ramsey gewiß gefallen. Aber Elliott sah schon in der ersten Stunde nach ihrer Ankunft, daß Alexandria ihm einen gehörigen Schock versetzte.
    Die Stadt schien ihm alle Lebenskraft zu rauben. Beim Tee war er schweigsam. Er entschuldigte sich, weil er Spazierengehen wollte.
    Als am Abend Henrys abrupter Aufbruch nach Kairo zur Sprache kam, war er kurz angebunden.
    »Julie Stratford ist eine erwachsene Frau«, sagte er und sah sie an. »Es wäre lächerlich anzunehmen, daß sie die Beglei-tung eines betrunkenen, verkommenen Subjekts wie Henry braucht. Sind wir denn nicht alle, wie Sie sagen, Gentlemen?«
    »Doch schon«, antwortete Alex mit vorhersehbarer Fröhlichkeit. »Dennoch ist er ihr Cousin und es ist der Wunsch ihres Onkels…«
    »Ihr Onkel kennt ihren Cousin nicht!« verkündete Ramsey.
    Julie unterbrach die Unterhaltung. »Ich bin froh, daß Henry nicht da ist. Wir werden ihn in Kairo noch früh genug wiedersehen. Und Henry in Kairo stelle ich mir schrecklich vor. Und der Gedanke an Henry im Tal der Könige ist mir unerträglich.«
    »Ganz recht«, seufzte Elliott. »Julie, jetzt bin ich dein Aufpasser. Offiziell.«
    »Elliott, die Reise ist viel zu anstrengend für dich. Du solltest auch nach Kairo reisen und dort auf uns warten.«
    Alex wollte schon Einwände erheben, als Elliott um Schweigen bat. »Das kommt jetzt nicht in Frage, wie du selbst sehr gut weißt. Außerdem möchte ich Luxor wiedersehen, und Abu Simbel, denn es ist vielleicht das letzte Mal.«
    Sie sah ihn nachdenklich an. Sie wußte, daß er die Wahrheit gesagt hatte. Er konnte sie nicht allein mit Ramsey reisen lassen, so sehr sie sich das auch wünschte. Und er wollte die Pyramiden wiedersehen. Aber sie spürte auch, daß er persönliche Gründe hatte.
    »Und wann gehen wir an Bord des Nildampfers?« fragte Alex.
    »Wieviel Zeit brauchen Sie in dieser Stadt, alter Junge?« fragte er Ramsey.
    »Nicht sehr viel«, sagte Ramsey mißfällig. »Von der alten Rö-
    merzeit, die ich sehen wollte, ist bedauerlicherweise wenig erhalten geblieben.«
    Nachdem er auch den dritten Gang beendet hatte, ohne einmal Messer und Gabel anzurühren, entschuldigte er sich, bevor die anderen fertig waren.
    Am folgenden Nachmittag war klar, daß er sich in mißliebiger Stimmung befand. Er sprach fast nichts, weigerte sich, Billard zu spielen und ging wieder spazieren. Bald ging er nur noch spazieren und überließ Julie vorläufig voll und ganz Alex. Anscheinend vertraute er sich nicht einmal Samir an.
    Er war ein Mann, der einen einsamen Kampf führte.
    Elliott, der Zeuge all dieser Ereignisse war, traf eine Entscheidung. Er ließ seinen Diener Walter einen jungen Ägypter dafür bezahlen, daß dieser rund um die Uhr den roten Teppich der Treppe fegte, um auf diese Weise Ramses zu beobachten. Es war ein nicht unerhebliches Risiko. Und Elliott schämte sich.
    Aber seine Besessenheit verzehrte ihn.
    Er saß stundenlang in einem bequemen Korbsessel in der Halle, las alle englischen Zeitungen und betrachtete das Kommen und Gehen. Wenn er sich unbeobachtet fühlte, ließ er sich von dem Jungen, der hinreichend Englisch sprach, berichten.
    Ramsey ging spazieren. Ramsey starrte stundenlang aufs Meer hinaus. Ramsey erkundete die weiten Felder hinter der Stadt. Ramsey saß in europäischen Cafes, starrte ins Leere und trank süßen ägyptischen Kaffee. Darüber hinaus hatte Ramsey ein Bordell besucht und den schmierigen alten Betreiber dadurch in Erstaunen versetzt, daß er zwischen Sonnenuntergang und Sonnenaufgang jede Frau im Haus genommen hatte. Insgesamt zwölf. So etwas hatte der alte Zuhälter noch nie gesehen.
    Elliott lächelte. Er befriedigt also dieses Bedürfnis auf dieselbe Weise wie alle anderen auch, dachte er. Und das bedeutete, daß Julie ihn noch nicht in ihr Allerheiligstes eingelassen hatte.
    Oder doch?

    Schmale Gäßchen, die Altstadt, so nannten sie diesen Bezirk.
    Aber er war nicht mehr als ein paar hundert Jahre alt, und niemand wußte, daß die große Bibliothek einst hier gestanden hatte. Daß unten auf dem Hügel die Universität gewesen war, wo die Gelehrten zu Hunderten und Aberhunderten gesprochen hatten.
    Die Akademie der antiken

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