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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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besucht.
    Und heute war Kairo eine Weltstadt, die sogar noch größer war als Alexandria. Dieser britische Sektor sah in jeder Hinsicht wie ein Stadtteil von London aus; nur daß es hier heißer war als in London. Gepflasterte Straßen, fein säuberlich geschnittene Bäume. Automobile im Überfluß, die mit ihren Motoren und Hupen den Kamelen Angst machten, ebenso den Eseln und den Menschen. Das Shepheard Hotel – auch ein
    »tropischer« Palast mit breiten Veranden, Korbstühlen, Jalousien und ägyptischen Kunstgegenständen, die zwischen den englischen Möbeln Platz gefunden hatten. Dazwischen drängten sich dieselben reichen Touristen, die er überall gesehen hatte.
    Auf einem großen Plakat vor den beiden schmiedeeisernen Fahrstühlen wurde die Oper angekündigt. Aida. Ein grelles, vulgäres Bild der alten Ägypter, die einander vor Palmen und Pyramiden in den Armen lagen. Und im Vordergrund ein Mann und eine Frau beim Tanz.

    OPERNBALL – ERÖFFNUNG HEUTE ABEND
    SHEPHEARD HOTEL

    Nun, wenn es Julies Wunsch war. Er mußte gestehen, er wollte ein großes Theater sehen und ein gewaltiges Orchester hören. Es gab so vieles zu sehen! Er hatte sogar von Filmen gehört.
    Aber er durfte sich in diesen letzten Tagen auf heimatlichem Boden nicht beklagen. Elliott hatte gesagt, daß es hier eine gute Bibliothek gab. Er wollte sich wissenschaftliche Bücher ausleihen und studieren, und nachts wollte er sich fortschlei-chen, sich vor die Sphinx stellen und zu den Seelen seiner Vorfahren sprechen.
    Er glaubte nicht, daß sie wirklich da waren. Nein. Das glaubte er nicht. Selbst in alten Zeiten hatte er nie richtig an die Götter geglaubt. Das lag vielleicht daran, daß die Menschen ihn einen Gott nannten und daß soviel von seiner Lebenskraft durch Rituale verlorengegangen war. Er hatte gewußt, daß er kein Gott war.
    Hätte ein Gott die Priesterin mit einem einzigen gewaltigen Hieb seiner Bronzeaxt niedergestreckt, nachdem er das Elixier getrunken hatte? Aber er war nicht mehr der Mann, der das getan hatte. Nein, denn das Leben hatte ihn immerhin gelehrt, was Grausamkeit war.
    Heute betete er die moderne Wissenschaft an. Er träumte von einem Laboratorium an einem abgelegenen und sicheren Platz, wo er das Elixier in seine chemischen Bestandteile zer-legen konnte. Die Bestandteile selbst kannte er. Und er wußte auch, daß er sie heute ebenso mühelos finden konnte wie vor Jahrhunderten. Er hatte den richtigen Fisch auf dem Markt in Luxor gesehen. Er hatte die Frösche in den Marschen am Nil hüpfen sehen. Und die Pflanzen wuchsen immer noch wild in diesen Marschen.
    Unglaublich fast, daß eine solche chemische Verbindung mit solch einfachen Dingen herzustellen war. Aber wer hätte das Geheimnis wissen können, wenn nicht eine alte Hexe, die die Zutaten in ihren großen Topf warf und köchelte.
    Das Laboratorium mußte warten. Er und Julie mußten zuerst noch reisen. Und bevor sie reisen konnten, mußte sie Abschied nehmen. Wenn er sich vorstellte, daß sie ihrer reichen und wunderschönen Welt Lebewohl sagte, durchlief ihn ein Schauer. Doch ungeachtet seiner Ängste begehrte er sie so sehr, daß er nichts gegen die Ängste unternehmen wollte.
    Dann war da noch Henry, Henry, der seit ihrer Rückkehr nicht gewagt hatte, sich zu zeigen – Henry, der das Haus einer Bauchtänzerin in der Altstadt von Kairo in eine Spielhölle verwandelt hatte.
    Die Hotelangestellten hatten diese Auskunft mehr als bereitwillig gegeben. Es schien, als hätte der junge Mr. Stratford ihnen sehr wenig dafür bezahlt, daß sie nichts von seinen Aus-schweifungen preisgaben.
    Was aber sollte Ramses mit dieser Information anfangen, wenn Julie ihn nicht handeln ließ? Der Mann durfte auf keinen Fall am Leben bleiben. Aber er wußte nicht, wie er es anstel-len sollte, damit Julie nicht noch mehr leiden mußte?

    Elliott saß auf dem Bett und lehnte mit dem Rücken am ge-schnitzten Kopfteil. Das Moskitonetz hatte er auf beiden Seiten zurückgeschoben. Es tat gut, in einer Suite im Shepheard zu wohnen.
    Die Schmerzen in seiner Hüfte waren fast unerträglich. Die langen Spaziergänge in Luxor und Abu Simbel hatten ihn viel Kraft gekostet. Er hatte Probleme beim Atmen, und sein Herz schlug schon seit Tagen ein wenig zu schnell.
    Er beobachtete, wie Henry in seinem zerknitterten Leinenanzug in dem komischen Schlafzimmer im »Kolonialstil« mit seinen altmodischen, klobigen viktorianischen Möbelstücken, ägyptischen Wandbehängen und unvermeidlichen

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