Die Mumie
werden.
Selbstverständlich würde er ihr Manager sein. Das würde ein wenig Geld in die Kasse bringen, und welche Frau würde nicht gerne dieses stinkende Dreckloch von einer Stadt verlassen, um nach Amerika zu gehen? Mit Hilfe von Schallplatten, die sie selbst im britischen Sektor gekauft hatte, lernte sie bereits Englisch.
Es brachte ihn zum Lachen, wenn sie diese albernen Sätze wiederholte: »Darf ich Ihnen etwas Zucker anbieten? Darf ich Ihnen etwas Sahne anbieten?« Sie sprach auch so gut genug.
Und sie konnte mit Geld umgehen. Andernfalls wäre es ihr nicht gelungen, dieses Haus zu behalten, nachdem ihr Bruder ausgezogen war.
Wichtig war nur, daß er seinen Vater überzeugte. Er mußte geschickt vorgehen. Nur darum hatte er Kairo nicht schon wieder verlassen. Sein Vater sollte glauben, er wäre immer noch bei Julie, würde sich um sie kümmern und den ganzen Rotz. Er hatte seinem Vater vor Tagen ein Telegramm mit der lächerlichen Nachricht geschickt, daß mit Julie alles in Ordnung war, und gleichzeitig um mehr Geld gebeten. Aber er würde sie doch sicher nicht nach London zurück begleiten müssen. Das war lächerlich. Er mußte sich etwas einfallen lassen. Eigentlich bestand kein Grund von hier wegzugehen.
Auch am elften Tag lief alles prächtig.
Es war einige Zeit her, seit er zum letzten Mal einen Fuß vor die Tür gesetzt hatte, außer natürlich, um im Innenhof das Frühstück einzunehmen. Er mochte den Innenhof und es gefiel ihm, die Welt draußen zu vergessen. Er mochte den kleinen Teich und die Fliesen, und sogar Malenkas kreischender Papagei – ein grauer Afrikaner – war nicht ohne.
Das ganze Haus hatte etwas Üppiges und Ausladendes, das ihn ansprach. Manchmal wachte er spät in der Nacht auf, weil er am Verdursten war. Dann suchte er sich eine Flasche und setzte sich im Salon auf die Kissen und lauschte den Klängen von Aida auf dem Grammophon. Wenn er dann die Augen zusammenkniff, verschwammen die Farben vor seinen Augen.
So mochte er das Leben. Spielen, trinken, völlige Abgeschie-denheit. Und eine warme, weiche Frau, die sich auszog, wenn er nur mit den Fingern schnippte.
Er ließ sie auch im Haus ihr Tanzkostüm tragen. Er mochte ihren glänzenden flachen Bauch und die drallen Brüste über dem leuchtend purpurnen Satin. Er mochte die großen billigen Ohrringe, die sie trug, und ihr feines, ach so feines Haar. Er mochte es, wenn es ihr offen auf den Rücken hing, damit er eine Strähne packen und sie sanft zu sich herziehen konnte.
Sie war die perfekte Frau für ihn. Sie ließ seine Hemden waschen und seine Wäsche plätten und sorgte dafür, daß ihm der Tabak nie ausging. Sie brachte ihm Zeitungen und Zeitschriften, wenn er sie darum bat.
Aber daran lag ihm nicht mehr sehr viel. Die Außenwelt existierte nicht. Abgesehen von den Träumen von San Francisco.
Darum war er auch so erbost, als ein Telegramm überbracht wurde. Er hätte seine Adresse nicht im Shepheard Hotel hinterlassen sollen. Aber er hatte keine andere Wahl gehabt. Wie hätte er sonst das Geld bekommen sollen, das sein Vater te-legrafisch hatte anweisen lassen? Oder die anderen Tele-gramme, die sein Vater geschickt hatte? Es war wichtig, seinen Vater nicht zu verärgern, bevor man zu einer Art Über-einkunft gelangt war.
Mit einem kalten, gemeinen Gesichtsausdruck wartete der Franzose, während Henry den Umschlag aufriß. Er stellte fest, daß das Telegramm nicht von seinem Vater kam. Es kam von Elliott.
»Verdammt«, flüsterte er. »Sie sind auf dem Weg hierher.« Er reichte es Malenka. »Laß meinen Anzug aufbügeln. Ich muß ins Hotel zurück.«
»Sie können jetzt nicht aussteigen«, sagte der Franzose.
Der Deutsche machte einen langen Zug an seiner stinkenden Zigarre. Er war noch dümmer als der Franzose.
»Wer hat gesagt, daß ich aussteigen will?« sagte Henry. Er er-höhte den Einsatz und bluffte so lange, bis keiner mehr übrig war.
Später wollte er ins Shepheard Hotel gehen und sich um ihre Zimmer kümmern. Aber schlafen wollte er dort nicht. Das konnten sie nicht von ihm verlangen.
»Mir reicht’s«, sagte der Deutsche und fletschte die gelben Zähne.
Der Franzose würde noch gut und gerne bis zehn oder elf bleiben.
Kairo. Wo jetzt Kairo stand, war zur Zeit von Ramses nichts als Wüste gewesen. Irgendwo im Süden lag Saqquara; dort war er hingepilgert, um die Pyramide des ersten Königs Ägyptens anzubeten. Und selbstverständlich hatte er die großen Pyramiden der großen Vorfahren
Weitere Kostenlose Bücher