Die Mumie
von Ramsey erfahren, was sich in dem Grab mit Lawrence zugetragen hatte.
Nichts konnte ihn davon abbringen, keine Feigheit und keine Träume von dem Elixier. Er mußte wissen, was Henry getan hatte.
Die Tür ging leise auf. Das mußte sein Diener Walter sein, der einzige, der ohne anzuklopfen eintreten würde.
»Hübsche Zimmer, Mylord?« Zu höflich. Er hatte den Streit mitgehört. Er machte sich nützlich, staubte den Nachttisch ab, rückte den Lampenschirm zurecht.
»Ja, sie sind schön, Walter. Und mein Sohn, wo ist er?«
»Unten, Mylord, und dürfte ich Ihnen ein kleines Geheimnis anvertrauen?«
Walter beugte sich über das Bett und hielt die Hand an den Mund, als befänden sie sich mitten unter Menschen und nicht in einem verlassenen Schlafzimmer, an das ein ebenso verlassener Salon grenzte.
»Er hat unten ein nettes Mädchen kennengelernt, eine Amerikanerin. Heißt Barrington, Mylord. Reiche Familie aus New York. Der Vater ist im Eisenbahngeschäft.«
Elliott lächelte. »Und woher wissen Sie das alles?«
Walter lachte. Er entfernte die Kippe aus dem Aschenbecher, die ausgegangen war, weil Elliott so schlimme Lungenschmer-zen hatte, daß er sie nicht rauchen konnte.
»Rita hat es mir gesagt, Mylord. Sie hat ihn keine Stunde nach unserer Ankunft gesehen. Und er ist jetzt gerade bei Miss Barrington und macht mit ihr einen kleinen Spaziergang durch den Hotelgarten.«
»Also, wäre das nicht reizend, Walter«, sagte Elliott kopfschüt-telnd, »wenn unser Alex eine amerikanische Erbin heiraten würde.«
»Ja, Mylord, das wäre gewiß reizend«, sagte Walter. »Was den anderen betrifft, möchten Sie dieselben Vorkehrungen wie bisher?« Walter legte erneut ein höchst verschwörerisches Gebaren an den Tag. »Daß jemand ihm folgt?«
Er meinte natürlich Ramses. Er spielte darauf an, daß Elliott in Alexandria einen Jungen bezahlt hatte, der Ramses beobachtete.
»Wenn es sich unauffällig machen läßt«, sagte Elliott. »Er muß Tag und Nacht beobachtet werden und man soll mir mel-den, wohin er geht und was er macht.«
Er gab Walter ein Bündel Banknoten, die Walter unverzüglich in die Tasche steckte. Dann ging er hinaus und machte die Tür hinter sich zu.
Elliott versuchte, tief Luft zu holen, aber die Schmerzen in seiner Brust ließen es nicht zu. Leise machte er einen flachen Atemzug nach dem anderen. Er sah zu den weißen Vorhängen, die sich am offenen Fenster bauschten. Er konnte das Treiben und den Lärm der Stadt draußen hören. Er dachte darüber nach, wie sinnlos alles war – Ramses in der Hoffnung zu folgen, irgend etwas über das Elixier zu erfahren.
Wirklich absurd. Ein bißchen Mantel-und-Degen-Mentalität, die Elliotts Besessenheit nur noch weiter anstachelte. Es bestand jetzt kein Zweifel mehr daran, wer Ramses war. Falls er das Elixier mit sich führte, trug er es ohne Zweifel am Leibe.
Elliott schämte sich. Aber das war unwichtig. Wichtiger war nur das Geheimnis, zu dem er keinen Zugang hatte. Er konnte ebenso gut zu dem Mann gehen und ihn darum bitten. Er dachte daran, Walter zurückzurufen und ihm zu sagen, daß alles Narretei war. Aber im Grunde seines Herzens wußte er, er würde noch einmal versuchen Ramses Zimmer zu durchsuchen. Außerdem konnte ihm vielleicht der Junge, der ihm folgte, einiges über die Gewohnheiten von Ramses sagen.
Immerhin lenkten ihn diese Gedanken von seinen Schmerzen in Brust und Hüfte ab. Er machte die Augen zu und sah wieder die gewaltigen Statuen von Abu Simbel. Plötzlich schien ihm, als wäre dies das letzte große Abenteuer seines Lebens und ihm wurde klar, daß er nichts bedauerte, daß allein dieses Abenteuer schon eine unschätzbar kostbare Gabe war.
Und wer weiß, lachte er leise in sich hinein. Vielleicht findet Alex eine amerikanische Erbin.
Wie reizend sie war, und wie sehr ihm ihre Stimme und das göttliche Funkeln in den Augen gefielen, denn göttlich war es.
Und wie sie ihn leicht mit dem Finger berührte, wenn sie lachte. Und was für einen hübschen Namen sie hatte, Miss Char-lotte Whitney Barrington.
»Und dann wollten wir eigentlich nach London reisen, aber man hat uns gesagt, dort sei es um diese Jahreszeit schrecklich kalt und so düster mit dem Tower von London und so, wo sie Anne Boleyn den Kopf abgeschlagen haben.«
»Wenn ich es Ihnen zeigen würde, wäre es das nicht!« sagte er.
»Wann fahren Sie denn nach Hause? Sie bleiben zur Oper, oder nicht? Man hat den Eindruck, alle hier sprechen nur noch davon.
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