Die Mumie
sofort entgegen und schlug ihm die schwarze Tasche aus der Hand. Eines der Gewehre ging los, als der Mann auf die Polizisten losstürmte und mehrere davon gegen die Wand schleuderte. Der Arzt sank auf die Knie. Seine Brille fiel vor ihm zu Boden. Er spürte, wie jemand auf seine Hand trat, als die Soldaten die Halle stürmten.
Wieder knallte das Gewehr. Rufe und Flüche auf ägyptisch.
Wo war seine Brille! Er mußte seine Brille finden.
Plötzlich half ihm jemand auf die Füße. Die Brille wurde ihm in die Hand gedrückt, und er setzte sie rasch wieder auf.
Er blickte in ein freundliches englisches Gesicht.
»Alles in Ordnung?«
»Verflucht, was ist hier passiert? Wo ist er? Hat man schon wieder auf ihn geschossen?«
»Der Mann hat Bärenkräfte. Er hat die Hintertür samt Gitter und allem herausgebrochen und ist entkommen.«
Gott sei Dank, daß Alex bei ihr war. Niemand wußte, wo Elliott war, Samir hatte sich zum Polizeirevier begeben, um so viel wie möglich zu erkunden. Als sie und Alex in das Büro geleitet wurden, stellte sie mit Erleichterung fest, daß dort Miles Winthrop auf sie wartete, der Assistent des Gouverneurs, und nicht der Gouverneur selbst. Miles war mit Alex zur Schule gegangen. Julie kannte ihn seit ihren Kindertagen.
»Miles, es handelt sich um ein Mißverständnis«, sagte Alex.
»Es kann nicht anders sein.«
»Miles«, sagte sie, »glaubst du, du kannst seine Freilassung erreichen?«
»Julie, die Situation ist komplizierter als wir vermutet haben.
Zunächst einmal sind die Ägypter nicht besonders gut auf Leute zu sprechen, die in ihr weltberühmtes Museum einbrechen.
Aber jetzt geht es auch noch um einen Diebstahl und einen Mord.«
»Wovon redest du!« flüsterte Julie.
»Miles, Ramsey kann gar niemanden ermorden«, sagte Alex.
»Das ist vollkommen absurd.«
»Ich hoffe, du hast recht, Alex. Aber im Museum liegt eine Putzfrau mit gebrochenem Genick, tot. Und eine Mumie ist aus ihrem Schaukasten im zweiten Stock gestohlen worden. Und euer Freund ist aus dem Gefängnis ausgebrochen. Und jetzt sagt einmal, ihr beiden, wie gut kennt ihr diesen Mann eigentlich?«
Er lief so schnell er konnte über das Dach und setzte mit einem Sprung über die Gasse vor ihm. Binnen Sekunden hatte er ein weiteres Dach überquert, war auf das nächste hinunter-gesprungen und hatte eine weitere schmale Straße überquert.
Erst jetzt drehte er sich um. Es war ihm gelungen, seine Verfolger abzuhängen. Er konnte das leise, ferne, aber sehr deutliche Knallen eines Schusses hören. Vielleicht erschossen sie sich gegenseitig. Ihm war es einerlei.
Er sprang auf die Straße hinunter und rannte. Schon bald wurde die Straße zur Gasse. Die Häuser hier hatten hohe Fenster mit Holzläden. Er sah keine britischen Geschäfte oder englischsprachigen Schilder mehr. Nur Ägypter und größten-teils alte Frauen in Zweiergruppen mit Schleiern über Gesicht und Haar. Sobald sie ihn mit seinem blutbefleckten Hemd und der zerrissenen Kleidung sahen, wandten sie den Blick ab.
Schließlich trat er in einen Türbogen und ruhte sich aus, dann steckte er langsam die Hand unter den Mantel. Äußerlich war die Wunde verheilt, aber drinnen konnte er das Pochen noch spüren. Er ertastete das breite Band des Geldgürtels. Die Phiolen waren noch unversehrt.
Die verfluchten Phiolen! Hätte er das Elixier doch niemals aus seinem Versteck in London geholt! Hätte er das Pulver doch in einem Tongefäß versiegelt und dieses Gefäß im Meer ver-senkt!
Was hätten die Soldaten mit der Flüssigkeit gemacht, wenn sie sie in die Finger bekommen hätten? An die Antwort weigerte er sich zu denken.
Noch niemals hatte er ein solches Bedauern empfunden wie jetzt. Aber es war geschehen! Er war der Versuchung erlegen.
Er hatte den halb verfaulten Leichnam, der im Schaukasten gelegen hatte, zum Leben erweckt.
Und er mußte das Produkt seiner Torheit finden. Er mußte herausfinden, ob noch ein Funke Verstand darin steckte!
Aber wem wollte er etwas vormachen! Sie hatte seinen Namen genannt!
Er drehte sich um und eilte die Gasse hinunter. Er brauchte andere Kleider, wenn er unerkannt bleiben wollte. Aber er hatte keine Zeit, sich welche zu kaufen. Er mußte sie sich auf andere Weise besorgen. Er hatte Wäscheleinen gesehen. Er eilte weiter, bis er wieder eine Leine sah, die sich über einen schmalen Durchgang zur Linken spannte.
Beduinenkleidung – langärmelige Roben und Kopfschmuck. Er riß sie herunter. Er streifte seinen Mantel
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