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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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unförmigen Roben, wie moslemische Frauen sie in der Öffentlichkeit trugen. Sie war groß genug, ihre Gestalt von Kopf bis Fuß zu bedecken.
    Ohne Angst ging er auf sie zu, warf den Mantel über ihren Kopf und legte ihn über ihre Schultern. Ihre Hände halfen sofort und verbargen das Gesicht mit Ausnahme der furchtsa-men Augen hinter dem Mantel.
    Er schob sie auf den Flur hinaus und schloß die Tür, um die Leiche zu verbergen. Vom oberen Stock erklangen Rufe und Lärm. Er konnte Stimmen hören, die sich von einem Zimmer am gegenüberliegenden Ende der Halle näherten. Er öffnete die Lieferantentür zur Rechten und führte sie auf die sonnen-beschienene Straße hinaus.

    Innerhalb weniger Augenblicke war das Gebäude außer Sichtweite. Und sie verschwanden in der großen endlosen Menge von Morgen- und Abendländern, die trotz hupender Autos und Eselskarren in alle Richtungen liefen.
    Die Frau erstarrte, als sie die Autohupen hörte. Beim Anblick eines Automobils, das an ihr vorbeifuhr, wich sie zurück und schrie mit zusammengebissenen Zähnen. Wieder sprach Elliott sie auf lateinisch an und versicherte ihr, daß er sich ihrer annehmen, eine Zuflucht für sie finden würde.
    Wieviel sie verstand, konnte er unmöglich erraten. Dann vernahm er das lateinische Wort für Essen. Ihre Stimme klang leise und gequält. »Essen und Trinken«, flüsterte sie. Sie murmelte noch etwas, aber das verstand er nicht. Es hörte sich an wie ein Gebet oder ein Fluch.
    »Ja«, flüsterte er ihr ins Ohr. Jetzt kamen ihm die lateinischen Wörter besser über die Lippen, da er wußte, daß sie sie verstand. »Ich werde alles bringen, was du verlangst. Ich kümmere mich um dich. Vertraue mir.«
    Aber wohin konnte er sie bringen? Nur ein Ort fiel ihm ein. Er mußte in die Altstadt von Kairo. Aber konnte er es wagen, die Kreatur in einem motorisierten Taxi zu befördern? Als er eine Pferdedroschke vorbeifahren sah, hielt er sie an. Sie kletterte bereitwillig auf den Ledersitz. Aber wie sollte es nun weitergehen, wo er kaum atmen konnte und sein linkes Bein fast nicht mehr zu gebrauchen war? Er stützte den rechten Fuß fest auf die Stufen und zog sich mit dem rechten Arm hoch. Dann ließ er sich, dem Zusammenbruch noch nie so nahe wie jetzt, neben die vermummte Gestalt sinken und nannte dem Fahrer mit letzter Kraft das Ziel.
    Die Droschke setzte sich in Bewegung, der Fahrer brüllte die Fußgänger an und ließ die Peitsche knallen. Das arme Geschöpf neben ihm wimmerte herzzerreißend und zog den Schleier völlig über das Gesicht.
    Er nahm es in die Arme. Er achtete nicht auf die kalten, harten Knochen, die er durch den dünnen schwarzen Stoff spürte. Er hielt es fest, und nachdem er wieder zu Atem gekommen war, versicherte er erneut auf lateinisch, daß er ein Freund war.
    Als die Droschke den britischen Teil der Stadt hinter sich gelassen hatte, versuchte er nachzudenken. Aber trotz aller An-strengung fand er keine rationale Erklärung für das, was er gesehen und getan hatte. Er wußte lediglich, daß er Zeuge eines Wunders und eines Mordes geworden war, und daß ersteres ihm sehr viel mehr bedeutete als letzteres, und daß er nun einen Weg eingeschlagen hatte, bei dem es keine Um-kehr gab.

    Julie war erst halb wach. Sie hatte den britischen Beamten, der in der Tür stand, doch sicher falsch verstanden.
    »Festgenommen? Wegen Einbruchs in das Museum? Das glaube ich nicht.«
    »Miss Stratford, er ist schwer verwundet. Die ganze Sache scheint etwas verwirrend zu sein.«
    »Verwirrend?«

    Der Arzt war wütend. Wenn der Mann schwer verwundet war, gehörte er ins Krankenhaus und nicht in eine Gefängniszelle.
    »Platz gemacht«, herrschte er die uniformierten Männer vor sich an. »Herrgott noch mal, ist das etwa ein Erschießungs-kommando hier?«
    Nicht weniger als zwanzig Gewehre waren auf den großen blauäugigen Mann gerichtet, der an der Wand stand. Getrocknetes Blut klebte am Hemd des Mannes. Sein Mantel war zerrissen und ebenfalls blutbefleckt. Er starrte den Arzt mit großen Augen an.
    »Kommen Sie nicht näher!« schrie er. »Sie werden mich nicht untersuchen. Sie werden mich mit Ihren Instrumenten nicht berühren. Ich bin unverletzt und will diesen Ort verlassen.«
    »Fünf Kugeln«, flüsterte der Beamte dem Arzt ins Ohr. »Ich habe die Wunden gesehen, glauben Sie mir. Er kann unmöglich unverletzt aus so einem…«
    »Ich möchte sie mir ansehen!« Der Arzt versuchte, sich ihm zu nähern.
    Die Faust des Mannes schoß ihm

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