Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
drehte sich zu den Männern um, die jetzt die Treppe heraufrannten.
    Er wandte sich wieder der Frau zu. Eine weitere Salve Schüs-se! Der ohrenbetäubende Lärm hallte durch den Flur. Ramses fiel gegen das Marmorgeländer.
    Die Frau zitterte, ohne jedoch die Hände von den Ohren zu nehmen. Sie schien das Gleichgewicht zu verlieren und taumelte zwischen die Steinsarkophage am anderen Ende der Halle. Als die Sirene von neuem ertönte, stieß sie einen durchdringenden Schrei aus.
    »Ramses!« Es war der Schrei eines verwundeten Tieres.

    Wieder verlor Elliott fast das Bewußtsein. Wieder schloß er die Augen und bemühte sich, tief einzuatmen. Seine linke Hand, die den Gehstock umklammert hielt, war mittlerweile vollkommen gefühllos.
    Er hörte, wie die Wachmänner Ramses die Treppe hinunter-zerrten. Ramses leistete Widerstand. Aber es waren zu viele.
    Und die Frau! Sie war verschwunden. Dann hörte er wieder das Schlurfen ihrer Füße auf dem Steinboden. Durch die Glasscheibe sah er, wie sie zum gegenüberliegenden Ende der Halle zurückwich. Sie verschwand wimmernd und immer noch keuchend durch eine Seitentür.
    Unten war es jetzt ruhig. Offenbar war Ramses aus dem Museum gebracht worden. Aber er konnte damit rechnen, daß man binnen weniger Minuten das Museum durchsuchte.
    Elliott mißachtete die Schmerzen in der Brust und kam gerade noch rechtzeitig zur Seitentür, um die Frau am Ende einer Lie-ferantentreppe verschwinden zu sehen. Er drehte sich rasch wieder um und sah auf den Boden. Dort lag die Phiole und leuchtete im grauen Licht. Es gelang ihm, sich auf ein Knie hinabzusenken. Er hob sie auf, machte den Deckel zu und steckte sie in die Tasche.
    Als er die Treppe hinunterging, um der Frau zu folgen, und mit dem tauben Bein fast gestolpert wäre, mußte er gegen die aufkommende Übelkeit ankämpfen. Auf halbem Weg nach unten sah er sie – verwirrt, stolpernd, eine krallenähnliche Hand erhoben, als tastete sie sich im Halbdunkel weiter.
    Plötzlich ging eine Tür auf und gelbes Licht flutete in den Durchgang. Eine Frau, deren Haar und Körper nach Moslem-art in ein schwarzes Gewand gehüllt war, trat heraus. In der rechten Hand hielt sie einen Scheuerlappen.
    Als sie die skelettartige Gestalt bemerkte, stieß sie einen schrillen Schrei aus und ließ den Lappen fallen. Sie floh in das erleuchtete Gebäude zurück.
    Ein leises Zischen entwich der Verstümmelten. Dann, als sie der Dienstmagd mit ausgestreckten Skeletthänden folgte, als wollte sie den gellenden Schrei ersticken, stieß sie wieder ein gräßliches Brüllen aus.
    Elliott bewegte sich so schnell er konnte. Die Schreie hörten auf, bevor er die Tür des beleuchteten Zimmers erreicht hatte.
    Als er eintrat, sah er die Putzfrau mit gebrochenem Genick tot zu Boden sinken. Die glasigen schwarzen Augen starrten ins Leere. Die Verstümmelte stieg über sie hinweg und ging zu einem kleinen Spiegel, der über einem Waschbecken an der Wand hing.
    Ein klägliches, gequältes Schluchzen entrann sich ihr, als sie ihr Spiegelbild sah. Stöhnend und zitternd streckte sie die Hand aus und berührte das Glas.

    Wieder wäre Elliott fast ohnmächtig geworden. Der Anblick der Leiche und der gräßlichen Kreatur vor dem Spiegel war mehr als er ertragen konnte. Aber eine grausame Faszination hielt ihn bei Sinnen. Jetzt mußte er seinen Verstand gebrauchen.
    Zum Teufel mit den Schmerzen in seiner Brust und der Panik, die ihm wie Übelkeit im Hals hochstieg.
    Rasch machte er die Tür des Zimmers hinter sich zu. Das Ge-räusch erschreckte sie. Sie wirbelte herum und hob die Hände wieder zum Angriff. Einen Augenblick war er wie gelähmt vom Grauen, das er empfand. Das Licht der Glühbirne an der Dek-ke war gnadenlos. Ihre Augen quollen aus den halb wegge-fressenen Höhlen. Weiße Rippen leuchteten aus einer riesigen Wunde an ihrer Seite. Ihr halber Mund war fort. Von einem Teil ihres Kiefers tropfte Blut.
    Großer Gott, wie sie leiden mußte! Armes, tragisches Geschöpf!
    Mit einem leisen Knurren kam sie auf ihn zu. Aber Elliott sprach sie leise auf griechisch an:
    »Freund«, sagte er. »Ich bin ein Freund und biete dir Zuflucht.« Und als er sich beim besten Willen nicht mehr an die alte Sprache erinnern konnte, fuhr er auf lateinisch fort: »Vertraue mir. Ich werde nicht zulassen, daß dir ein Leid geschieht.«
    Er wandte seinen Blick nicht ab, als er nach einem von mehreren schwarzen Gewändern tastete, die an der Wand hingen.
    Genau was er brauchte – eine der

Weitere Kostenlose Bücher