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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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rangen miteinander, Henry krallte verzweifelt nach ihr, während ihre Knochenfinger sich um seinen Hals schlossen. Der Korbtisch fiel um, Geschirr zerschellte auf den Fliesen. Sie taumelten in die Orangenbäume, deren winzige Blätter wie Regen auf sie her-abfielen.
    Malenka kauerte völlig verstört an der Mauer.
    »Elliott, hilf mir!« kreischte Henry. Er wurde nach hinten ge-drückt, seine Knie gaben nach, die rudernden Arme griffen vergeblich nach dem Kopf der Kreatur.
    Irgendwie gelang es Elliott, zum Torweg zu gelangen. Er hörte jedoch nur noch das Brechen von Knochen. Er zuckte zusammen, als er sah, wie Henrys Körper erschlaffte und inmitten der grünen Seide zu Boden fiel.

    Die Kreatur taumelte wimmernd zurück, dann schluchzte sie und fletschte wieder die Zähne. Die zerfetzten Bandagen, die sie bedeckten, waren ihr von einer Schulter gerissen worden.
    Durch das Leinen waren die dunkelbraunen Brustwarzen zu sehen. Große Blutblasen waren unter den Bandagen zu sehen, die noch an ihrem Körper hafteten. Bei jedem Schritt fielen Stoffetzen von ihr ab. Ihre blutunterlaufenen und tränenden Augen betrachteten die Leiche und dann das verschüttete Essen und den heißen Tee, der im Sonnenschein dampfte.
    Langsam sank sie auf die Knie. Sie hob das Brot auf und steckte es in den Mund. Auf allen vieren kriechend schleckte sie den verschütteten Tee auf. Sie steckte die Finger in die Marmelade und leckte diese gierig ab. Den Schinken und die Eier schlang sie hinunter ohne zu kauen.
    Elliott sah ihr schweigend zu. Er bemerkte, daß Malenka zu ihm gelaufen kam und hinter ihm kauerte. Er bemühte sich, flach zu atmen, während er dem Pochen seines Herzens lauschte.
    Die Kreatur verschlang die Butter, zerdrückte die Eier und schabte sie mit den Zähnen von der Schale.
    Schließlich war kein Essen mehr da. Und doch blieb sie auf dem Boden auf den Knien. Sie betrachtete ihre ausgestreckten Hände.
    Die Sonne brannte auf den kleinen Innenhof herunter. Sie schien auf ihr schwarzes Haar.
    Wie in Trance starrte Elliott sie an. Er konnte das, was er sah, weder begreifen noch beurteilen. Der Schock war zu groß.
    Plötzlich drehte sich die Kreatur um und legte sich auf den gefliesten Boden. Dort streckte sie sich aus und weinte und schluchzte und kratzte mit den Händen auf den Lehmfliesen.
    Dann drehte sie sich auf den Rücken, heraus aus dem Schatten der Bäume ins volle Sonnenlicht.
    Einen Moment sah sie zum sengenden Himmel hinauf, dann verdrehte sie die Augen. Nur die weißen Halbmonde der Iris blieben sichtbar.
    »Ramses«, flüsterte sie. Ihre Brust hob und senkte sich.
    Der Earl drehte sich um und zog Malenka mit sich. Während er zum Sessel ging, mußte er sich auf sie stützen. Er spürte, wie die dunkelhäutige Frau zitterte. Schweigend ließ er sich auf die bestickten Kissen nieder und legte den Kopf an die hohe, runde Lehne aus kratzigem Rattan. Das ist alles ein Alptraum, dachte er. Aber es war kein Alptraum. Er hatte gesehen, wie diese Kreatur von den Toten auferstanden war. Er hatte gesehen, wie sie Henry getötet hatte. Was, in Gottes Namen, sollte er tun?
    Malenka blieb an seiner Seite, dann sank sie langsam auf die Knie. Ihre Augen waren groß und leer, ihr Mund stand offen.
    Sie sah zum Garten hin.
    Fliegen umkreisten Henrys Gesicht. Sie ließen sich auf den verschütteten Speisen nieder.
    »Sachte, sachte, Ihnen wird kein Leid geschehen«, flüsterte Elliott. Das Brennen in seiner Brust ließ langsam nach. Er spürte ein Kribbeln in seiner linken Hand. »Sie wird Ihnen nichts tun, ich verspreche es Ihnen.« Er benetzte die trocke-nen Lippen mit der Zunge, bevor es ihm gelang, weiter zu sprechen. »Sie ist krank. Ich muß mich um sie kümmern. Sie wird Ihnen nichts tun, seien Sie gewiß.«
    Die Ägypterin umklammerte sein Handgelenk und preßte die Stirn an die Stuhllehne. Nach einer ganzen Weile fing sie an zu sprechen.
    »Keine Polizei«, flehte sie mit kaum hörbarer Stimme. »Keine Englischmänner, die mein Haus wegnehmen.«
    »Nein«, murmelte Elliott. »Keine Polizei. Polizei wollen wir nicht.«
    Er wollte ihr über den Kopf streichen, konnte sich aber nicht bewegen. Benommen sah er hinaus ins Sonnenlicht, zu der Gestalt, deren glänzendes Haar im Sonnenschein ausgebreitet auf dem Boden lag, und zu dem toten Mann.
    »Ich kümmere mich um…«, flüsterte die Frau. »Ich bringe meinen Englischmann fort. Keine Polizei kommt.«
    Elliott verstand sie nicht. Was sagte sie? Dann dämmerte es ihm

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