Die Mumie
stand, in die Hand gedrückt hatte.
»Sie festnehmen? Julie Stratford! Wegen Diebstahls einer unersetzlichen Mumie in London? Aber das alles ist Wahnsinn. Alex Savarell und ich waren zusammen in der Schule!
Ich werde persönlich mit dem Britischen Museum Verbindung aufnehmen.«
»Nun gut, dann machen Sie schnell«, sagte der andere. »Der Gouverneur ist wütend. Die kunsthistorische Abteilung befindet sich in Aufruhr. Und suchen Sie Henry Stratford. Spüren Sie seine Geliebte auf, diese Tänzerin Malenka. Stratford ist irgendwo in Kairo und stockbesoffen, darauf können Sie Gift nehmen. Und nehmen Sie bis dahin irgend jemanden fest, sonst explodiert uns der Alte.«
»Das könnte ihm so passen«, flüsterte Miles, während er zum Telefonhörer griff.
Welch ein Basar. Hier gab es alles zu kaufen – kostbare Stoffe, Parfüms, Gewürze und seltsame tickende Gegenstände mit römischen Ziffern darauf, Juwelen und Töpferwaren – und Essen! Aber sie hatte kein Geld, um etwas zu kaufen! Der erste Händler hatte ihr auf englisch und mit jahrtausendealten, unmißverständlichen Gesten klar zu verstehen gegeben, daß ihr Geld nichts wert war.
Sie ging weiter. Sie lauschte den Stimmen, die von allen Seiten an ihr Ohr drangen, horchte auf die englischen Wörter, versuchte zu verstehen.
»Soviel werde ich nicht bezahlen. Das ist zuviel, der Mann versucht, uns über’s Ohr zu…«
»Nur einen kleinen Drink, jetzt komm schon. Es ist sengend heiß.«
»Schau doch, diese Halsbänder, sind sie nicht hübsch.«
Gelächter und gräßliche Geräusche, laute, knirschende Ge-räusche! Sie hatte sie schon einmal gehört. Sie drückte unter dem breiten, schlappen Kopfschmuck die Hände auf die Ohren. Sie ging weiter und versuchte, das zu überhören, was ihr weh tat, aber das zu hören, was sie wissen mußte, um zu lernen.
Plötzlich ein entsetzliches Geräusch – ein unvorstellbares Ge-räusch -, das sie völlig aus der Fassung brachte und nach oben sehen ließ. Es gelang ihr, einen Schrei zu unterdrücken.
Ihre Hände konnten sie nicht davor schützen. Sie stolperte weiter und stellte fest, daß die anderen keine Angst hatten! Sie kümmerten sich gar nicht darum.
Sie mußte diesem Geheimnis auf den Grund gehen! Trotz der Tränen ging sie weiter.
Was sie sah, erfüllte sie mit namenlosem Grauen. Sie fand keine Worte, es zu beschreiben. Ein riesiges, schwarzes Ding, das sich auf Rädern aus Metall vorwärts bewegte. Aus einem Kamin darauf quoll Rauch. Der Lärm war so laut, daß er alle anderen Geräusche übertönte. Große hölzerne Wagen folgten, die mit gewaltigen Haken aus schwarzem Eisen aneinander befestigt waren. Die ganze entsetzliche Karawane donnerte auf einem Metallstreifen dahin, der im Boden verlief.
Und der Lärm wurde noch lauter, als das Ding an ihr vorbei kam und in einen langen, klaffenden Tunnel einfuhr, in dem sich Hunderte von Menschen drängten, als wollten sie in seine Nähe kommen.
Sie schluchzte laut und starrte das Ding an. Ach, warum hatte sie ihr Versteck nur verlassen? Warum hatte sie Lord Rutherford verlassen, der sie hätte beschützen können? Als es den Anschein hatte, als könnte sie nichts Schlimmeres mehr sehen als diese schreckliche Kette von vorbeiratternden Wagen, fuhr der letzte in den Tunnel ein und sie sah eine große graue Granitstatue des Pharao Ramses, die mit verschränkten Armen und dem Zepter in der Hand hinter dem metallenen Weg stand.
Voller Entsetzen starrte sie den Koloß an. Gestohlen aus dem Land, das sie kannte, das sie beherrscht hatte, stand dieses Ding hier – grotesk, verlassen, lächerlich.
Sie wich zurück. Ein weiteres dieser dämonischen Gefährte kam. Sie hörte sein lautes, schrilles Kreischen, und dann donnerte es an ihr vorbei und verdeckte die Statue. Sie spürte, wie ihr Geist sich von allem abkehrte und ins dunkle Wasser zurückkehrte, in die Dunkelheit, aus der sie gekommen war.
Als sie die Augen wieder aufschlug, stand ein junger Engländer über ihr. Er hatte den Arm um sie gelegt und hob sie hoch.
Den anderen bedeutete er, weiterzugehen. Sie begriff, daß er sie etwas fragte, daß er wissen wollte, was er machen sollte.
»Kaffee«, flüsterte sie. »Ich hätte gerne etwas Zucker in meinen Kaffee.« Worte der Sprechmaschine, die Lord Rutherford ihr vorgeführt hatte. »Ich hätte gerne etwas Zitrone in meinen Tee.«
Er strahlte. »Aber natürlich, ich werde Ihnen Kaffee besorgen.
Ich bringe Sie hin, ins britische Café!«
Er half ihr zu
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