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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Erinnerung, falls es überhaupt eine Erinnerung gewesen war. Wach auf, Ramses.
    Das war sein Name. Doch im Moment war ihr das gleichgültig.
    Sie war frei und konnte durch diese fremde Stadt streifen, war frei und konnte entdecken und schauen!

    Samir kaufte gleich im ersten Geschäft in der Altstadt von Kairo mehrere Beduinengewänder. Er betrat ein kleines Restau-rant, ein stinkendes Loch voll heruntergekommener Franzosen. Dort zog er das weite, wallende Gewand an und klemmte die anderen Kleidungsstücke, die er für Julie gekauft hatte, in das Gewand unter den Arm.
    Ihm gefiel dieses weite Bauernkostüm, das viel älter war als die maßgeschneiderten Anzüge und Hüte, die die meisten Ägypter trugen. Wahrscheinlich handelte es sich sogar um die ältesten noch existierenden Kleidungsstücke – die langen, weiten Gewänder der Wüstenbewohner. Er fühlte sich darin frei und vor allen Blicken sicher.
    Er eilte durch die gewundenen engen Gassen des Araberviertels zum Haus seines Vetters Zaki. Zaki war ein Mann, mit dem er ungern Geschäfte machte, der ihm aber leichter und problemloser als jeder andere genau das geben konnte, was er haben wollte. Und wer wußte, wie lange sich Ramses in Kairo verstecken mußte? Wer wußte, wie diese Morde aufge-klärt werden konnten?
    Als er die Mumienfabrik seines Vetters erreichte – sicher einer der verabscheuungswürdigsten Orte auf der ganzen Welt -, trat er durch eine Seitentür ein. Eine Ladung frisch angeliefer-ter Leichen röstete in der grellen Nachmittagssonne. Drinnen wurden zweifellos weitere im Kessel gekocht.
    Ein einsamer Arbeiter hob gerade einen Graben aus, in dem die frischen Mumien dann ein paar Tage lagerten, um im feuchten Erdreich zu »bräunen«.
    Samir ekelte sich über alle Maßen, obschon er bereits als Junge in diese kleine Fabrik gekommen war, lange bevor er gewußt hatte, daß es echte Mumien gab, die Leichname der ältesten Vorfahren, die man studieren konnte und die man vor Diebstahl und Verstümmelung schützen und bewahren mußte.

    »Sieh es einmal so«, hatte sein Vetter Zaki ihm einmal erklärt.
    »Wir sind besser als die Diebe, die unsere alten Herrscher Stück für Stück an Ausländer verkaufen. Was wir verkaufen, ist nicht heilig. Es ist gefälscht.«
    Der gute alte Zaki. Samir wollte gerade einem der Männer, der gerade einen Leichnam bandagierte, ein Zeichen geben, als Zaki selbst aus dem stinkenden kleinen Haus heraustrat.
    »Samir! Es ist immer eine Freude, dich zu sehen, Vetter. Tritt in und trinke einen Kaffee mit mir, Vetter!«
    »Jetzt nicht, Zaki, ich brauche deine Hilfe!«
    »Gewiß, andernfalls wärst du nicht hier.«
    Samir nahm die Zurechtweisung mit einem knappen, demütigen Lächeln entgegen.
    »Zaki, ich brauche einen sicheren Ort, ein kleines Haus mit einer schweren Tür und einem Hinterausgang. Sicher. Ein paar Tage, vielleicht länger. Ich weiß nicht.«
    Zaki lachte gutmütig, aber auch ein wenig gönnerhaft.
    »So, so, der Gebildete, den alle respektieren, kommt zu mir, weil er ein Versteck braucht?«
    »Stell bitte keine Fragen, Zaki.« Samir holte ein Bündel Geldscheine unter dem Gewand hervor. Er hielt sie seinem Vetter hin. »Ein sicheres Haus. Ich bezahle.«
    »Gut, ich weiß genau das Richtige«, sagte Zaki. »Komm mit ins Haus und trink einen Kaffee mit mir. Ein Atemzug, und du hast dich an den Geruch gewöhnt.«
    Das sagte Zaki schon seit Jahrzehnten. Samir gewöhnte sich nie an den Geruch. Aber jetzt fühlte er sich veranlaßt, dem Wunsch seines Vetters nachzukommen. Er folgte ihm ins
    »Einbalsamierungszimmer«, einem kläglichen Raum, wo ein Kessel Bitumen und andere Chemikalien kochten und darauf warteten, daß eine frische Leiche hineingeworfen wurde.
    Im Vorübergehen sah Samir, daß ein neues Opfer im Kessel schwamm. Er schaute weg, sah aber dennoch das schwarze Haar des Mannes, das an der Oberfläche trieb, während das Gesicht dicht darunter schwamm.
    »Wie wäre es mit einer frischen, hübschen Mumie?« ärgerte Zaki ihn. »Direkt aus dem Tal der Könige. Nenn mir eine Dynastie und ich geb sie dir! Männlich, weiblich, was du willst!«

    »Das Versteck, Vetter.«
    »Ja, ja. Ich habe mehrere solcher Häuser frei. Aber zuerst Kaffee, dann schicke ich dich mit dem Schlüssel los. Sag mir, was du von diesem Einbruch ins Museum weißt! Die Mumie, die gestohlen wurde! War sie echt, was meinst du?«

    Wie betäubt betrat Elliott die Halle des Shepheard Hotels. Er wußte, daß er zerlumpt aussah. Schmutz und

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