Die Mumie
Kairo.
Samir, der wie im Gebet zum Himmel hinauf sah.
Als sie neben ihm stand, legte er den Arm um sie.
»Samir, wo ist er?« flüsterte sie.
»Er wird uns eine Nachricht zukommen lassen, Julie. Er wird sein Versprechen halten.«
Sie hatte ausgezeichnet gewählt: hellgrüner »Satin« mit Reihen von »Perlmuttknöpfen« und mehreren Lagen »Brüsseler Spitze«. Und der lose Pelzstreifen sah ganz allerliebst aus, sagte die Frau, und die Frau mußte es ja wissen!
»Ihr Haar ist so wunderschön, meine Teuerste, es ist fast eine Sünde, es hochzustecken, aber das sollten Sie dennoch tun, wissen Sie, Teuerste. Es sieht ziemlich… Vielleicht kann ich morgen einen Termin beim Friseur für Sie vereinbaren.«
Natürlich hatte sie recht. Alle anderen Frauen trugen das Haar hochgesteckt, weg vom Hals, fast so, wie sie ihres früher immer getragen hatte, nur waren ihre Frisuren anders, mehr wie ein großes Herz mit Löckchen. Ja, sie würde gerne zu diesem Friseur gehen.
»Im besonderen für den Opernball!« Wahrhaftig. Und auch das Kleid für den Opernball war hinreißend, aber jetzt zur Sicherheit in steifes, glänzendes Papier gepackt. Ebenso wie alle anderen Sachen – die hübschen »Spitzenhöschen« und die feinen »Unterröcke« und die zahllosen Kleider und Schuhe und Hüte und verschiedenen anderen Dinge, an die sie sich schon gar nicht mehr erinnern konnte. Spitzentaschentücher, Schals und ein weißer Schirm, den man benutzte, wenn die Sonne schien! Was für ein entzückender Unsinn. Es war, als hätte man einen riesigen Kleiderschrank betreten. Komisch auch, diese modernen Zeiten, in denen man alles und überall fertig haben konnte?
Die Besitzerin hatte die Summe, wie sie es nannte, fast ad-diert. Sie hatte viele »Noten« des Geldes abgezählt. Und jetzt machte sie die Schublade einer großen Bronzemaschine auf, der »Registrierkasse«, und darin war noch mehr Geld, viel mehr Geld als Kleopatra besaß.
»Ich muß sagen, Sie sehen in dieser Farbe atemberaubend aus!« sagte die Frau. »Ihre Augen wirken dann nicht mehr blau, sondern grün.«
Kleopatra lachte. Ganze Haufen Geld.
Sie stand vom Stuhl auf und bewegte sich elegant auf die Frau zu. Das Klicken der hohen Absätze auf dem Marmorboden gefiel ihr.
Sie packte die Frau am Hals, noch bevor das arme Geschöpf aufsah. Sie faßte fest zu und drückte den Daumen auf den empfindlichen Knochen in der Mitte. Die Frau schien verblüfft.
Sie gab ein leises Kicksen von sich. Dann drehte Kleopatra mit beiden Händen den Kopf der Frau ruckartig zur Seite.
Schnapp. Tot.
Es bestand keine Veranlassung, jetzt darüber nachzudenken, jetzt über den großen Abgrund zwischen ihr und diesem armen, traurigen Wesen zu sinnieren, das nun auf dem Boden hinter dem kleinen Tisch lag und zu der goldverzierten Decke hinaufsah. Diese Kreaturen konnte man allesamt töten, wenn man es für erforderlich hielt, denn was konnten sie ihr schon tun?
Sie raffte das Geld zusammen und steckte es in die neue Abendtasche aus Satin, die sie hier gefunden hatte. Was nicht hineinpaßte, steckte sie in die alte Stofftasche. Dazu nahm sie alle Juwelen mit, die im Schaukasten unter der »Registrierkasse« aufbewahrt wurden. Dann stapelte sie die Schachteln übereinander und trug den ganzen Berg hinaus auf den Rücksitz des Autos.
Los jetzt, ins nächste Abenteuer. Sie warf die langen, dicken Stränge des weißen Pelzes über die Schultern und ließ die Bestie wieder an.
Und fuhr zu dem Haus, wo »die besseren Leute absteigen, Briten und Amerikaner, das ist das Shepheard, das Hotel, wenn Sie verstehen, was ich meine.«
Sie mußte lachen, als sie an den Amerikaner dachte und die seltsame Art, wie er mit ihr gesprochen hatte, als wäre sie eine Schwachsinnige. Bei dieser Ladenbesitzerin war es genauso gewesen. Vielleicht würde sie im Shepheard Hotel jemand mit Charme und guten Manieren treffen, einen interessanteren Menschen als diese armen erbärmlichen Seelen, die sie in die dunklen Wasser zurückgeschickt hatte, aus denen sie gekommen war.
»Um Gottes willen, was ist hier geschehen?« flüsterte der ältere der beiden Beamten. Er stand in der Tür von Malenkas Haus, zögerte aber, ohne Durchsuchungsbefehl oder Erlaubnis der Bewohner einzutreten. Niemand hatte auf das Klopfen reagiert, niemand geantwortet, als er Henry Stratfords Namen gerufen hatte.
Er sah die Glasscherben auf dem Toilettentisch im erleuchteten Schlafzimmer. Und das auf dem Boden sah aus wie Blut.
Der jüngere Mann,
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