Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
Vom Netzwerk:
Lei-nendecken. In der Mitte des Saals tanzten Männer und Frauen. Die Röcke der Frauen sahen wie große, leicht gekräuselte Blumen aus. Und die Musik, so lieblich, obwohl sie ihr fast in den Ohren weh tat. Sie war viel schriller als die des Musikkastens. Und so herrlich traurig!
    Unverzüglich bat er einen herrisch aussehenden alten Mann, ihnen einen »Tisch« zu geben. Was für ein häßlicher Mensch, dieser herrisch aussehende Mann, der ebenso gut gekleidet war wie alle im Saal. Aber er sagte »Ja, Lord Summerfield«
    mit großem Respekt. Und der Tisch war wahrlich prachtvoll –
    wunderhübsches Geschirr und duftende Blumen.
    »Was ist das für eine Musik?« fragte sie.
    »Aus Amerika«, sagte er. »Von Sigmund Romberg.«
    Sie wiegte sich ein wenig vor und zurück.
    »Möchten Sie gerne tanzen?« fragte er.
    »Das wäre super!«
    Wie warm seine Hand war, als er ihre nahm und sie zur Tanzfläche führte. Wie eigentümlich, daß jedes Paar nur für sich tanzte, wie in ein intimes Ritual vertieft. Der melancholische Rhythmus riß sie sofort mit. Und dieser bewundernswerte junge Mann, wie zärtlich er sie ansah. Er war wirklich ein hübsches junges Mannsbild, dieser Alex, Lord Summerfield.
    »Wie bezaubernd das alles ist«, sagte sie. »Ein richtiger Palast. Und die Musik, so intensiv, aber wunderschön. Sie tut meinen Ohren weh, und ich mag keine lauten Geräusche –
    kreischende Vögel, Gewehre!«
    »Selbstverständlich nicht«, sagte er überrascht. »Sie sind so ein zierliches Geschöpf. Und Ihr Haar, darf ich Ihnen sagen, daß Ihr Haar wunderbar ist? Man sieht heutzutage selten Frauen, die ihr Haar offen und natürlich tragen. Sie sehen wie eine Göttin aus.«
    »Ja, das ist sehr okay. Danke Ihnen.«
    Er hatte ein reizendes Lachen. So aufrichtig. Keine Angst in seinen Augen, kein Ekel. Er war wie ein Prinz, der von gütigen Ammen in einem Palast großgezogen worden war. Alles in allem zu sanft für die Welt.
    »Würde es Ihnen schrecklich viel ausmachen, mir Ihren Namen zu sagen?« fragte er. »Da wir einander nicht vorgestellt worden sind, müssen wir uns wohl selbst bekanntmachen.«
    »Mein Name ist Kleopatra, Königin von Ägypten.« Wie sie dieses Tanzen liebte, geschwungen und herumgewirbelt zu werden. Der Boden unter ihr schimmerte wie Wasser.
    »Ich könnte Ihnen fast glauben«, sagte er. »Sie sehen wie eine Königin aus. Darf ich Sie Eure Hoheit nennen?«
    Sie lachte. »Eure Ho-heit. Ist das die angemessene Anrede für eine Königin! Ja, Sie dürfen mich Eure Ho-heit nennen. Und ich nenne Sie Lord Summerfield. Diese Männer hier, sind sie alle… Lords?«

    Im dunklen Spiegel an der getäfelten Wand sah Elliott, wie Winthrop und seine Gehilfen abzogen. Pitfield kam ohne Umschweife zurück und setzte sich wieder auf den Stuhl ihm gegenüber. Er winkte dem Kellner und bedeutete ihm, neue Drinks zu bringen.
    »Noch mehr Verwirrung«, sagte er. »Um Gottes willen, was ist denn in den jungen Stratford gefahren!«
    »Erzähl.«
    »Erstaunlich! Eine Bauchtänzerin, Henry Stratfords Geliebte.
    Man hat sie mit gebrochenem Genick in dem Haus gefunden, das sie mit Henry bewohnt hat. Henrys Sachen waren alle noch dort. Paß, Geld, alles.«
    Elliott schluckte. Er brauchte unbedingt noch einen Drink. Es kam ihm in den Sinn, daß er etwas essen mußte, wenn er weiter trinken wollte, ohne umzukippen.
    »Dasselbe; gebrochenes Genick wie heute nachmittag bei dem Studenten aus Oxford, bei dem jungen Amerikaner bei den Pyramiden draußen, und bei der Putzfrau im Museum. Ich frage mich, warum er sich bei Sharples die Mühe mit dem Messer gemacht hat! Du solltest mir lieber alles erzählen, was du weißt.«
    Der Kellner stellte Scotch und Gin ab. Elliott nahm seinen Drink und nippte nachdenklich daran.
    »Wie ich befürchtet habe, die ganze Sache. Er hat vor lauter Schuldgefühlen den Verstand verloren.«
    »Wegen seiner Spielsucht.«
    »Nein, wegen Lawrence. Weißt du, es war Henry, die Gifte im Grab.«
    »Großer Gott, Mann, ist das dein Ernst?«
    »Gerald, so hat ja alles angefangen. Er hatte Papiere bei sich, die Lawrence unterschreiben sollte. Wahrscheinlich hat er sie gefälscht. Aber darum geht es nicht. Er hat den Mord gestanden.«
    »Dir.«
    »Nein, jemand anderem.« Er verstummte, mußte das alles durchdenken, hatte aber keine Zeit. »Ramsey.«
    »Den Ramsey, den sie suchen.«
    »Ja. Ramsey hat versucht, mit ihm zu reden, heute morgen in aller Frühe, bevor Henry den Verstand verloren und ins Museum eingebrochen

Weitere Kostenlose Bücher