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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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Bestes tat.
    Gemeinsam gingen sie zur vorderen Reihe, wo Elliott zum ersten Mal einen Blick auf den erstaunlich schönen Sarg der Mumie warf.
    Der unschuldige, kindliche Gesichtsausdruck der Goldmaske bezauberte ihn. Dann wanderte sein Blick weiter zu den Schriftbändern, die um den unteren Teil der Gestalt geschlungen waren. Lateinische und griechische Worte, die an ägyptische Hieroglyphen erinnerten.
    Doch er wurde abgelenkt, als Hancock vom Britischen Museum mit einem Löffel laut an sein Kristallglas klopfte und so um Aufmerksamkeit bat. Neben Hancock stand Alex, einen Arm um Julie gelegt, die in ihrer schwarzen Trauerkleidung blendend aussah. Sie trug das Haar streng aus dem blassen Gesicht nach hinten gekämmt, wie um aller Welt zu zeigen, daß sie keine schicken Frisuren oder anderen Zierat nötig hatte.
    Als ihre Blicke sich begegneten, schenkte Elliott Julie ein knappes, melancholisches Lächeln. Er sah, wie sie ihn unverzüglich wie immer anstrahlte. In gewisser Weise, dachte er, ist sie in mich mehr vernarrt als in meinen Sohn. Welche Ironie.
    Aber sein Sohn verfolgte die Geschehnisse, als wüßte er nicht das geringste damit anzufangen. Was vielleicht stimmte, und das war das Problem.
    Samir Ibrahaim erschien plötzlich links neben Hancock. Auch ein alter Freund. Aber er sah Elliott nicht. Ein wenig nervös gab er zwei jungen Männern Anweisungen, den Deckel des Sargs der Mumie zu ergreifen und auf weitere Instruktionen zu warten. Sie hatten die Augen gesenkt, als wäre ihnen die Tat etwas peinlich, die nun von ihnen verlangt wurde. Plötzlich wurde es totenstill im Zimmer.
    »Meine Damen und Herren«, begann Samir. Die beiden jungen Männer hoben den Deckel unverzüglich und stellten ihn beiseite. »Ich präsentiere Ihnen Ramses den Großen.«
    Die Mumie war für alle sichtbar. Zu sehen war die hochgewachsene Gestalt eines Mannes mit vor der Brust verschränkten Armen, der unter den dicken, verblichenen Bandagen offenbar nackt war.
    Die Menge stieß einen Seufzer aus. Im goldenen Licht der elektrischen Lüster und der wenigen Kerzenleuchter sah die Gestalt ein wenig furchteinflößend aus. Sie repräsentierte den erhaltenen und bewahrten Tod.
    Vereinzelt wurde unbehaglicher Beifall laut. Schaudern, sogar unbehagliches Gelächter. Dann löste sich die dichtgedrängte Reihe der Zuschauer auf, manche gingen näher hin und wichen dann wie vor der Hitze eines Feuers zurück, andere kehrten dem Ding gänzlich den Rücken.
    Randolph seufzte und schüttelte den Kopf.
    »Dafür ist er gestorben, richtig? Wenn ich nur verstehen könn-te, warum.«
    »Werden Sie nicht morbid«, sagte der Mann neben ihm – jemand, den Elliott hätte kennen sollen, an den er sich aber nicht erinnerte. »Lawrence war glücklich…«
    »Weil er getan hat, was er tun wollte«, flüsterte Elliott. Nur noch einmal, und er würde zu weinen anfangen.
    Lawrence wäre glücklich gewesen, hätte er diesen Schatz erforschen können. Er wäre glücklich gewesen, hätte er diese Schriftrollen übersetzen können. Lawrences Tod war eine Tragödie. Wer etwas anderes daraus machte, war ein Narr.
    Elliott drückte ganz sachte Randolphs Arm und ließ ihn stehen; er näherte sich langsam dem ehrwürdigen Leichnam von Ramses.
    Es schien, als hätte die jüngere Generation, die sich um Alex und Julie drängte, gemeinsam beschlossen, sein Vorankom-men zu verhindern. Elliott vernahm Stimmen und Bruchstücke von Unterhaltungen, als die Gespräche wieder ihr vorheriges, unbekümmertes Niveau erreichten.
    »…bemerkenswerte Geschichte in den Papyri«, erklärte Julie.
    »Aber Vater hatte erst mit der Übersetzung angefangen. Ich wüßte gerne, was du denkst, Elliott.«
    »Was meintest du, meine Liebe?« Er hatte gerade die Mumie erreicht, betrachtete deren Gesicht und staunte, wie leicht man einen Ausdruck unter den vielen Schichten brüchigen Stoffs ausmachen konnte. Er nahm Julies Hand, als diese an ihn herantrat. Andere drängten näher und versuchten, einen Blick zu erhaschen, aber Elliott wich keinen Millimeter.
    »Deine Meinung, Elliott, zu dem ganzen Geheimnis«, sagte Julie. »Handelt es sich um einen Sarg der neunzehnten Dynastie? Wie kann er zur Zeit der Römer angefertigt worden sein?
    Weißt du, Vater hat mir einmal gesagt, du verstehst mehr von Ägyptologie als alle Männer im Museum.«
    Er lachte leise in sich hinein. Sie sah sich nervös um und ver-gewisserte sich, daß Hancock nicht in der Nähe war. Gott sei Dank war er von vielen Menschen

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