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Die Mumie

Die Mumie

Titel: Die Mumie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anne Rice
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der in Ägypten so fehl am Platze wirkte und in seinem zerknitterten weißen Leinenanzug kläglich aussah. Henry, mit dem unvermeidlichen Glas Scotch in der Hand und der unvermeidlichen Kippe im Mund.
    Zweifellos war die Bauchtänzerin bei ihm – Malenka, die Frau aus Kairo, die ihrem englischen Beschützer alles Geld gab, das sie verdiente.
    Lawrence konnte Henry nie ganz vergessen, aber ihn jetzt in unmittelbarer Nähe zu haben, war mehr, als er ertragen konnte.
    Lawrence betrachtete Henry als die einzige wirkliche Enttäuschung in seinem Leben – der Neffe, dem an nichts und niemand etwas lag, außer an Spieltischen und an der Flasche; der einzige männliche Erbe der Stratford-Millionen, dem man nicht einmal eine Ein-Pfund-Note guten Gewissens anvertrauen konnte.
    Wieder verspürte er einen stechenden Schmerz, weil er Julie vermißte – seine geliebte Tochter, die hier bei ihm sein sollte und es auch wäre, wenn ihr junger Verlobter sie nicht überre-det hätte, zu Hause zu bleiben.
    Henry war des Geldes wegen nach Ägypten gekommen. Henry hatte Firmendokumente gebracht, die Lawrence unterschreiben sollte. Und Randolph, Henrys Vater, hatte ihn auf diese grimmige Mission geschickt, weil er wie immer verzweifelt bemüht war, die Schulden seines Sohns zu begleichen.
    Ein feines Paar sind die beiden, dachte Lawrence unwillig –
    der Tunichtgut und der Aufsichtsratsvorsitzende von Stratford Shipping, der die Gewinne der Firma in den ständig leeren Geldbeutel seines Sohnes leitete.
    Aber Lawrence konnte seinem Bruder Randolph tatsächlich alles vergeben. Lawrence hatte Randolph den Familienbetrieb nicht bloß übergeben. Er hatte ihn Randolph zusammen mit dem ganzen Druck und der Verantwortung förmlich aufgebürdet, damit er, Lawrence, die letzten Jahre seines Lebens in den Ruinen Ägyptens graben konnte, die er so sehr liebte.
    Und um ganz ehrlich zu sein, Randolph hatte Stratford Shipping passabel geleitet. Das heißt so lange, bis sein Sohn zum Betrüger und Dieb geworden war. Randolph hätte selbst jetzt alles gestanden, hätte man ihn darauf angesprochen. Aber Lawrence war zu egoistisch, um ihn darauf anzusprechen. Er wollte Ägypten nie mehr verlassen und nie mehr in die stickigen Londoner Büros von Stratford Shipping zurückkehren.
    Nicht einmal Julie konnte ihn überreden, nach Hause zu kommen.
    Und jetzt stand Henry da und wartete auf seinen Augenblick.
    Und Lawrence gönnte ihm den Augenblick nicht; er betrat das Zelt und zog eifrig den Stuhl an den Tisch. Er holte ein in Leder gebundenes Tagebuch heraus, in das er bisher nichts ein-getragen hatte – möglicherweise für diese Entdeckung aufgehoben hatte. Er schrieb hastig auf, was er von der Inschrift auf der Tür noch wußte, ebenso die Fragen, die sie aufwarf.
    »Ramses der Verdammte.« Er lehnte sich zurück und betrachtete den Namen, Und zum ersten Mal beschlichen ihn die Vor-ahnungen, welche Samir erschüttert hatten.
    Was, um alles in der Welt, konnte das bedeuten?

    Eine halbe Stunde nach Mitternacht. Träumte er? Die Marmortür der Gruft war vorsichtig entfernt, fotografiert und in seinem Zelt auf ein Gerüst gestellt worden. Nun waren sie soweit, sich Zugang zu verschaffen. Die Gruft! Endlich sein.
    Er nickte Samir zu. Er spürte, wie ein Raunen durch die Menge ging. Blitzlichter leuchteten auf, als er sich die Hände auf die Ohren legte, dann wurden sie alle von der Sprengung überrascht. Er spürte sie in der Magengrube. Keine Zeit dafür.
    Er hatte die Fackel in der Hand und war entschlossen, hinein-zugehen, obwohl Samir noch einmal versuchte, ihn aufzuhalten.
    »Lawrence, es könnten Fallen darin sein, es könnten…«
    »Gehen Sie mir aus dem Weg.«
    Wegen des Staubs mußte er husten. Seine Augen tränten.
    Er hielt die Fackel durch das klaffende Loch. Mit Hieroglyphen geschmückte Mauern – wieder ohne Frage der prunkvolle Stil der neunzehnten Dynastie.
    Ohne zu zögern trat er ein. Wie ungewöhnlich kühl es hier war, und dann der Geruch, was war das nur, ein eigentümliches Parfüm nach all den Jahrhunderten!
    Sein Herz schlug zu schnell. Das Blut strömte in den Kopf, er mußte wieder husten, als die drängenden Reporter Staub im Durchgang aufwirbelten.
    »Zurückbleiben!« brüllte er schroff. Die Blitzlichter flackerten wieder um ihn herum. Er konnte kaum die bemalte Decke mit ihren winzigen Sternen über sich sehen.
    Und da, ein langer Tisch mit Alabastergefäßen und Kästchen.

    Berge von Papyrusrollen. Großer Gott, bereits

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